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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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wie hin, Stechschritt, ich steige/springe/hechte in Esthers Porsche Cayenne. TÜR ZU!
    »Hi! Schön, dich zu sehen! Wir müssen noch auf Ben warten!«, sage ich etwas außer Atem. Ist eigentlich klar. »Er steckt wohl irgendwo fest, keine Ahnung.« Wir spähen hinüber zum Ausgang, ob wir ihn sehen können, zwischen den Aasgeiern, die das Auto umzingeln und Kameras an die Scheiben des Wagens halten und mir durch die Scheibe gedämpfte Schlagwörter zurufen, immer noch in der Hoffnung, ich würde einen Kommentar abgeben oder wenigstens in ihre Richtung und ihre Linse schauen.
    Den harschen Blick, der jetzt mein Gesicht ziert, lasse ich schnell wieder sein, zumal ich mich ertappe, dass ich diesen aufgesetzt unaufgesetzten Unmut lediglich simuliere. Denn erstaunlicherweise erfüllt mich eine eigenartige Hochstimmung. Fraglos Rampenlicht induziert. Aus keinem Grund, den ich freiwillig zugeben würde, spüre ich schon die ganze Zeit, wie durch die große Aufmerksamkeit irgendeine versteckte Sehnsucht in mir befriedigt wird. Ein ominöses Gefühl. Das könnte eine Ahnung von Ruhm sein. Ein Abklatsch von Ruhm. Ein Missverständnis von Ruhm.
    Das hieße doch, na, was wohl, ich bin durch meine plötzliche Prominenz bereits korrumpiert. Ja, das hieße das. Fazit: So schnell geht’s? Ach, scheiß der Hund drauf. Wo bleibt Ben, verdammt noch mal.
    Esther wirft ihr braunes Haar zurück, bindet es mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz und meint, sie hätte es beinahe nicht pünktlich zum Flughafen geschafft – wegen der Werkstatt, die den Winterreifenwechsel nicht rechtzeitig hinbekommen hat –, und entschuldigt sich also dafür, dass sie sich
fast
verspätet hätte.
    »Da ist er«, sage ich und zeige auf Ben. Esther murmelt ein »Ah ja«. Er steigt hinten ein und tippt ihr, die sofort anfährt,um nur zügig wegzukommen, zur Begrüßung und Dank auf die Schulter. Ben und ich halten unsere in Moskau neu erstandenen Handköfferchen auf den Knien. Ich mache mich am Gebläse zu schaffen. Mir zieht’s. Auf Mund und Nase.
    Draußen zieht’s auch. Orkanartige Stürme fegen über die Straße. Der Scheibenwischer kämpft gegen Spritzwasser und Regen. Ich starre auf die verschandelnde grüne Schadstoffausstoß-Plakette, die an der Windschutzscheibe klebt, während ich aus den Ärmeln schlüpfe und den Mantel zwischen Rücken und Sitzlehne eingeklemmt lasse. Blick in den Außenspiegel, ob uns jemand folgt. Lässt sich unmöglich sagen. Wir durchfahren eine Tunnelröhre. Denke mir, in einer beleuchteten Unterführung wird es nie richtig dunkel.
    Esther will alles auf einmal wissen und löchert uns mit Fragen und antwortet sich sofort selbst, indem sie uns mitteilt, was hier los ist, dass wir Schlagzeilen machen, was in der druckfrischen BILD steht. Auf dem Rücksitz hinter Esther, neben Ben, liegt ein hoher Stapel Zeitungen. Alles eben noch besorgte, topaktuelle Nachtausgaben, deren schwarze Lettern fast noch glänzen. Sie biegt auf die A9 Richtung Stadt ein. Wir entgehen haarscharf einem tödlichen Unfall, als sie einen Kleinlaster überholt und wir uns plötzlich gefühlte zwanzig Zentimeter vor einem Porsche 911 befinden, der auf der linken Spur hinter uns angeschossen kommt und den Esther wohl übersehen hat. Ich fühle schon fast die Halskrause, die Genickstarre, das Wirbelsäulentrauma und lese innerlich die nächste Schlagzeile über den Mann, der ein Flugzeugunglück überlebt und auf dem Nachhauseweg in einem Porsche von einem Porsche zum Krüppel gefahren wird. Macht richtig Spaß, wieder daheim zu sein.

44
    Wir setzen Ben vor seiner Wohnung ab.
    »Nochmals danke, Esther, wir telefonieren«, ruft er schon draußen, den Motoren- und Straßenlärm übertönend und die Tür in der Hand. Das Heck unseres Wagens ragt gefährlich in den Verkehr.
    »Gib auf dich acht«, sage ich mit gedrehtem Kopf.
    »Du auch«, antwortet Ben in beinahe gereiztem Ton. Vielleicht Teil seiner unterschwelligen Zermürbungsstrategie. Zwischen uns ist nichts mehr, wie es mal war. Wohl eine der unausweichlichen Begleiterscheinungen meiner unaussprechlichen Lage.
    Die Tür knallt zu. Das regennasse Laub auf dem Asphalt der Allee vor uns glitzert rutschig. Im Anrollen sehe ich noch, wie Bens Vater aus dem Hauseingang auf die Straße gestürmt kommt und ihn umarmt. Sein Haar weiß, nicht grau. Hat also in Bens Wohnung auf ihn gewartet. Da kommt auch seine Mutter. Dreierumarmung. Und die Sturmböen werfen sie beinahe um.
    Ich beobachte die drei

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