Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
Vom Netzwerk:
darüber, dass mich nur eine hauchdünne zivilisatorische Schicht von meinem anderen Ich trennt. Dennoch bin ich fest entschlossen, der Außenwelt mit einer Zuversicht gegenüberzutreten, die ich nicht im Geringsten empfinde. Leugnen, leugnen, leugnen.
    Gewitterregen prasselt gegen die drei Fenster. Bald glaube ich es wirklich: Das Wetter folgt mir. Die reinste Folter.
    Ich schildere Joel ein paar Einzelheiten von der Pressekonferenz, kaum drei Stunden ist die her. Er staunt, stöhnt manchmal kommentierend und lacht gedämpft am anderen Ende der Leitung. Er sagt: »Ich bin hier gerade auf Abendzeitung-online.
Münchner rettet Schwangere bei Flugzeugunglück
. Titelseite! Und daneben prangt ein heiliges Antlitz: unser über alles geliebter Conrad, wer sonst!« Ich höre, wie Joel auf der Tastatur klackert. Er lacht erneut und stellt mit kaum unterdrücktem Spott fest: »Das klingt doch nicht schlecht. Aber das Bild von dir, also dieses Bild ist etwas, na sagen wir, ungünstig. Du siehst in natura zwar tatsächlich ziemlich scheiße aus, aber so scheiße, wie hier … Also, das hast du nicht verdient.«
    Das hat wohl seine Richtigkeit. Er fügt an: »Entschuldige, wenn ich das sage, aber du siehst da auch leicht behämmert aus.«
    Wir beide lachen. Obwohl mir jetzt klar wird, dass die weltweite Berichterstattung tatsächlich eingesetzt hat, habe ich (trotz Beklemmung) aus unerfindlichen Gründen auch einen Anteil guter Laune in mir.
    »Dein Video läuft auf n-tv übrigens alle zwanzig Minuten. Also, was du da an Akrobatik ablieferst … Ich glaube, das ist noch nie dagewesen.«
    Während er mir das erzählt, stehe ich auf, um das Zimmer zu verlassen, weil ich nicht möchte, dass Ben das Folgende mitbekommt. Ben deute ich mit meinem Blick an, dass ich austreten muss. Leise schließe ich die Badezimmertür von innen und setze mich auf den Rand der Badewanne. Dabei wechsle ich das Handy aufs rechte Ohr. Normalerweise halte ich es immer am linken.
    »Okay«, flüstere ich, obwohl außer Bens Hörweite, »jetzt können wir sprechen«, verlautbare ich sinnloserweise, als hätte ich vorhin »wart mal kurz« gesagt. Was ich nicht habe. »Also, was gibt’s Neues von Lutz?« Ich wechsle wieder aufs linke Ohr. Da höre ich irgendwie besser. Macht der Gewohnheit.
    »Okay. Lutz & Wendelen haben sich für Option A entschieden. Ihr Anwalt hat mir geschrieben, dass sie jedwede Abstandszahlung ablehnen und im Falle einer Klage mit starken Geschützen auffahren werden. Sie meinen, du seiest nachweislich psychisch labil. Jetzt halt dich fest: Ein psychologisches, achtseitiges Gutachten haben sie mir als pdf-Datei zugeschickt …«
    »Halt, warte mal. Ein Gutachten? Allen Ernstes?« Mich überkommt ein schwindeliges Gefühl von Übelkeit. Innerer Aufruhr. Ohne Insidon – wie soll ich das bloß überstehen?
    »Ja, natürlich kannst du da ein Ei draufhauen auf so eineFerndiagnose, aber eine gewisse Schlüssigkeit infolge der Faktenlage lässt sich beim besten Willen nicht leugnen. Tut mir leid, Connie, das sagen zu müssen. Ich habe dir das Ding weitergeleitet. Bist du gerade online?«
    »Äh, nein, später – später, ähm, ich weiß noch nicht wann. Ich sehe zu, dass – also später, ich weiß noch nicht genau, wann wieder. – Ja.«
    »Gut, ja schau’s dir einfach an, wenn du wieder Zugang hast. – Okay, und ihr Anwalt meinte außerdem, sie hätten noch einiges Weitere gegen dich in der Hinterhand. Mehr hat er dazu nicht geschrieben. Könnte ein Bluff sein. Oder verschweigst du mir wieder mal was?«
    »Hmm, ich glaube nicht. Nicht, dass ich wüsste«, stammle ich, mehr oder weniger aufrichtig.
    »Hör zu, Connie, lass es dabei bewenden. Akzeptiere die Kündigung, akzeptiere, dass du keine Abstandszahlung erhältst. Wer weiß, was die sich einfallen lassen und denk daran, deinen Brief haben sie gegen dich auf jeden Fall in der Hand. Eventuell könnte man das noch irgendwie zurechtbiegen, aber alles in allem würde das in eine Schlammschlacht übelster Sorte ausarten. Ewig lang noch dazu.«
    Ich überlege. Joel sagt, beinahe geheimnistuerisch, was unterstreicht, wie ernst es ihm ist: »Was denkst du, wollen wir einfach Ruhe geben? Die sollen dir noch drei Monatsgehälter und deine ausstehenden Provisionen auszahlen, und gut ist! Ich rate dir, unter Freunden, nicht weiter vorzugehen. Du weißt, ich habe überhaupt kein Problem, Klage einzureichen, aber es ist wirklich nicht besonders erfolgversprechend. Im Gegenteil.«
    Ich überlege.

Weitere Kostenlose Bücher