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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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ernsthaft gesagt:
Wenn Sie nicht in der Lage sind, Ihren gesunden Menschenverstand einzusetzen, liefern wir Ihnen eben einen entsprechenden Bericht über Personalkosteneinsparung und Lenkungskonzeptblablabla und fertig. Deckel drauf. Dann schreiben wir Ihnen eine saftige Rechnung und verschwinden, wenn es das ist, was Sie wollen.
Und haben Sie ihn tatsächlich auch noch einen albernen Fatzke genannt? Herrgott!«
    Ich stammle irgendeinen Umlaut, so was wie: »Äääh.«
    Lutz rastet völlig aus und schnauzt mich an: »Soll ich Ihnen mal was sagen? – Sagen Sie lieber nichts! Ihre Antwort ist mir absolut …« Er bricht ab. Er weiß nicht, was ihm sonst womöglich noch herausrutscht. Instinktiv nehme ich eine Verteidigungshaltung ein.
    »Jedenfalls habe ich gerade eben nochmals mit Dr. Stevenson telefoniert, und er meinte, Sie hätten außerdem wörtlich zu ihm gesagt, wörtlich«, Lutz beginnt, von einem Notizzettel abzulesen: »
Er solle sich mal nicht so haben, wir machen mit A. L. I. schließlich das, was wir mit allen machen. Was erwarte er denn. Stellenstreichungen, Dezimierung der Belegschaft, Kostensenkung und Produktivitätssteigerung der verbleibenden Sklaven, was sollen wir da unser Sanierungskonzept noch mal überarbeiten, das wäre nur eine Heidenarbeit, und am Ende kommt es auf dasselbe raus. Sinnvoller wäre es, das Management auszuwechseln, sonst wird das nie was mit dem Aufschwung.
So in der Art etwa. – Conrad, was zur Hölle soll ich davon halten?«
    Und was soll ich
darauf
wohl sagen? Noch immer zweifle ich irgendwie an der Echtheit seiner Empörung. Vielleicht hat Stevenson ihm die Geschichte so aufgetischt. Warum auch immer.
    »Conrad, haben Sie das wirklich so gesagt?« Lutz redet sehr laut.
    Er schreit: »Stimmt das?«
    Kurz Stille. In meinem Blick blitzt sie auf, die rechtschaffene Entrüstung des heilig Unschuldigen.
    Lutz flüstert: »Sagen Sie mir wenigstens, dass Sie ihm gegenüber nicht ihren Arm drohend erhoben haben, wie er behauptet!«
    WAS? Ich habe keine Ahnung. Es ist eine vollkommen absurde Situation. Ich bin wie vor den Kopf gestoßen. Ich lächle, so wie man lächelt, wenn es eigentlich nichts zu lächeln gibt. Lutz steht auf, schiebt die Hände in die Hosentaschen und wippt auf den Absätzen. Versucht sich zu zügeln.
    Pater Cornelius hätte mich einfach verdroschen. Hat er immer gemacht, wenn ich unartig war. Mit diesem scharfen Augenglitzern. Er brauchte keinen Vorwand. Wie besessen schlug er auf mich ein. Und wieder. Und wieder. Und wieder. Dann, wenn wir allein waren. Was ich unter anderem mit Narben auf meinen Handflächen beweisen kann. Und nicht nur dort. Er hat immer gesagt, Demütigung ist nur dann demütigend, wenn man bereit ist, darunter zu leiden. Das habe ich mir gemerkt. Wenn du dir das immer und immer wieder vorsagst, kann es keine wirksame Foltermethode geben, die dich verletzen könnte. Du bist unverwundbar.
    »Ich … weiß … nicht … was ich …«, sage ich in einem Tonfall, als würde mir jetzt erst klar, dass dieses Gespräch eine Rüge ist. Beinahe ziehe ich die Nase hoch. Aber nur beinahe. Ich nehme mein letztes bisschen Selbstbeherrschung zusammen, das mir noch geblieben ist, und setze an, etwas zu sagen, wissend um die Zwecklosigkeit meines Vorhabens. Lutz kommt mir zuvor.
    »Kaum sind Sie Firmenteilhaber, gleich so was! Wissen Sie, von welchem Auftragsvolumen wir hier sprechen? Wie wichtig dieser Vertragsabschluss auch für Sie hätte werden können?«
    Hätte werden können? Was ist das denn für ein Tempus und Modus?
    Der Augenblick seines aufblitzenden Zorns ist vorüber.
    Gespielte Resignation, eigensüchtiges Bedauern. Er hat etwas für große Gesten übrig.
    Angeekelt fährt er fort: »Sagen
Sie
mir, was wir jetzt machen sollen. Ich muss Sie natürlich erst mal von dem Projekt abziehen. Eigentlich müsste ich Sie sofort feuern.«
    Ich schaue auf. Ganz plötzlich: überhaupt keine Gefühle.
    Überhaupt keine. Ich komme mir vor, als wäre ich kein vollwertiges menschliches Wesen. Blinzle. Ob Lutz die Stimme auch hört, die ich höre?
    Kommst Du mit? Sonst sind wir nur zu neunt.
    Nein, er scheint sie nicht wahrzunehmen. Er sagt: »Ich habe noch niemanden in dieser Sache informiert. Conrad, du weißt, dass ich dich sehr schätze.«
    Per-Du-Switch, hab Acht. Äußerste Umsicht ist geboten, er kommt mir menschlich. »Zunächst spreche ich gleich im Anschluss mit Henning Wendelen, dann möchte ich bis heute Abend einen schlüssigen Bericht, eine

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