Zusammenhang mache ich gleich darauf diesen gedanklichen Viersprung: (1) Meine Beförderungsfeier,(2) Lutz samt Familienanhang, (3) Tochter Corinna, (4) Düsseldorf.
Corinna Lutz. CL.
Oha.
Auch das noch.
11
Was mir Robert Lutz da erzählt hat, sieht mir überhaupt nicht ähnlich. Wenn ich mich nur erinnern könnte. Ich lege meine Finger auf die Tastatur meines Mac, suche nach Stichpunkten für meinen Bericht. Eine Rechtfertigung, die Klärung eines Irrtums soll es werden. Aber wofür soll ich mich überhaupt rechtfertigen?
Ich sitze ganz schön in der Patsche. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass ziemlich viel auf dem Spiel steht. Der Vorfall scheint mit jedem Atemzug schwerwiegender in Bezug auf meine Karriere. Die Sache wird Konsequenzen haben. Ich bin so gut wie gefeuert. Vermutlich werde ich meine Abfindung einklagen müssen, werde um ein Verfahren nicht herumkommen.
Aber gut, zunächst will ich versuchen, die Schlüssigkeit meines Handelns zu verdeutlichen. So in etwa wie: Es ist nicht so, wie ihr denkt. Ich werde mein Bestes geben. Nur für den Fall, dass ich nicht verrückt bin.
Ich nippe an meinem Grünen Tee. Es gibt nichts Gesünderes. Mit der Zungenspitze befeuchte ich die Lippen, frage »Therese?« in die Freisprechanlage und höre mich zeitverzögert durch die angelehnte Tür im Vorzimmer. Ein abgehaktes Doppelklicken tönt aus meinem Lautsprecher. Sie geht immer zu schnell von der Taste. Das »Ja« höre ich nur durch den Türspalt.
»Dürfte ich Sie noch um etwas von Ihrem vorzüglichen Teebitten … ahm.« Die direkte Anrede verschlucke ich gerade noch, sonst klänge es ja wie Tee-Bitten-Tee-Reese. »Und ach ja, ich gehe bereits morgen in Urlaub. Wenn Sie möchten, können Sie einfach abhauen, sobald Sie alles erledigt haben.« Sie bestätigt und geht wieder zu früh von der Taste. Ich drücke und sage: »Nke.« Ende der Durchsage.
Ich streiche mir über den Bauch, als hätte ich gerade etwas Weltbewegendes vom Stapel gelassen, und fahre mit meinen Überlegungen fort. Was soll ich bloß schreiben? Intensive Minuten vergehen. Und bei diesen fast schmerzhaften Anstrengungen ist mir mehrfach, als erlebe ich einen geradezu neurologischen Austauschprozess, als würden buchstäblich alle Elemente meines Verstands zerfallen und sich wieder neu zusammensetzen. Es ist unheimlich. Und irgendetwas ist da auch. Aber ich kann nicht genau sagen, um was es sich handelt.
Mit einem Mal übermannt mich eine Eingebung. In meinem Kopf macht es wieder dieses schwer zu beschreibende Knackgeräusch. Wie ich es neulich schon erlebt habe. Eigentlich ist es gar kein Geräusch, es ist eher ein ganz kurzes Umschalten. Ich sehe genau vor mir, was ich in den Bericht schreiben werde. Wort für Wort. Glasklar. Während solch beseelter Phasen fühle ich mich immer, als ob mir irgendwie die Zeit ausgehen würde. Also tippe ich meinen Bericht wie im Fieber herunter. Großartige Formulierungen, geschliffene Sprache, eine Dramaturgie wie aus einem Lehrbuch abgeschrieben.
Das war’s. Ich bin fertig. Genau eine Seite. Schweiß sickert mir vom Rücken ins Hemd. Am linken unteren Rand grüßt kollegial
Dr. Conrad Peng.
Diese Zeilen werden alles aufklären. Um Missverständnisse aus der Welt zu räumen, reicht oft schon die richtige Intonation. Ja, formuliert man etwas schriftlich, bekommt es ein anderes Gewicht.
Speichern, zweimal Ausdrucken. Ich unterzeichne mit Füller. Die schwungvolle Handbewegung, mit der man seinen eigenen Namen schreibt, weicht doch sehr von der Bewegung ab, mit der man alles andere schreibt. Ich schüttele alle meine Finger, umfasse mit einer Hand das Handgelenk der anderen, stecke den einen Ausdruck in ein Kuvert, lege es in die Mitte des Tischs, die andere Kopie falte ich klein und packe sie in die Innentasche meines Jacketts. Meine Wangenmuskeln spannen sich.
Verwundert stelle ich fest, dass Therese in der Zwischenzeit Tee nachgeschenkt haben muss. Hab ich gar nicht mitbekommen. Ich trinke meinen Tee so rasch aus, wie es die Hitze zulässt. Eine kurze Niedergeschlagenheit, die immer nach einer eruptiven Schaffensphase auf mich wartet, wische ich mit einem Verlegenheitshuster einfach vom Tisch. Kein Hoch ohne Tief.
Ich lade mein schwarzes Visitenkarten-Etui mit fünf neuen Stücken nach und stecke es wieder in die andere Innentasche. Ich formuliere meine Absenz-Meldungs-E-Mail, die ab sofort jeder erhält, der mir an
[email protected] schreibt. Auf Englisch,