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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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Stellungnahme Ihrerseits ohne Wenn und Aber!«
    Pause. Mein Gesicht tut sein Bestes.
    »Conrad? Habe ich mich klar ausgedrückt, Conrad, hören Sie mir zu?«
    »Ja«, sage ich lammfromm zu ihm. Ja was? Ob er sich klar ausgedrückt hat oder ob ich ihm zuhöre? Ich drücke an meinen Kniescheiben herum. Duckmäuserisch und verwirrt. Und starre auf die Kunstrasen-Golfbahn in der Ecke des Raums. Wenn man sich umschaut, sieht man ein riesiges Büro, viel dunkles Holz, edle Modellautos in einer extra dafür angefertigten Glasvitrine. Auf einem Sideboard stehen zig Vertrautheit bezeugende Fotos von Lutz mit Spitzenpolitikern, Spitzensportlern und Spitzenshowgrößen. Im Grunde interessieren ihn Menschen kaum, aber er ist so unglaublich publicitygeil, dass er auf wirklich jede Eröffnung einer Telefonzelle geht, sofern Presse und Promis anwesend sind. Das ist daseine. Aber dann noch Fotos aufzustellen ist noch mal was anderes.
    Ich höre ihn maliziös fragen: »Ist es richtig, dass Sie ab Donnerstag in vierzehntägigen Urlaub gehen? – Ja? Gut, dann treten Sie den sofort an, dafür sehe ich von einer einstweiligen, offiziellen Freistellung bis auf Weiteres ab. Noch heute, wie gesagt, liegt mir Ihr Bericht vor und …« Das Telefon klingelt. Ärgerlich nimmt er ab, bellt: »Möchte nicht gestört werden«, hält inne und sagt dann versöhnlich: »Oh, ja, stellen Sie durch.«
    Ich greife schon mal nach meiner Tasche, bewege mich übertrieben zwanglos. Er blickt kurz auf und sagt ziemlich schäbig: »Ich denke, wir sind fertig«, und drückt einen Knopf der Telefonanlage. Ich übersetze das für mich als raus hier, stehe auf, zupfe am Revers, jeder weitere Klärungsversuch würde nur noch mehr Konfusion provozieren, schaue verabschiedend, was er aber nicht sieht, da er die Augen nicht hebt, höre nebenbei »Corinna, Schatz, wie geht’s dir? Was ist denn so dringend?«, wende ihm in einer uneleganten Bewegung den Rücken zu, schreite Richtung Zimmeröffnung, sehe über dem Türrahmen ein metallenes Miniatur-Folterwerkzeug, an das ein nackter Mann mit Dornenkranz genagelt ist, höre Lutz ins Telefon säuseln: »Ich hab dir doch gesagt, Düsseldorf ist nicht der Nabel der Welt, hast du …«, und befördere mich – wie benebelt – aus dem Raum.
    Sybille hört auf zu tippen, als ich ins Vorzimmer komme, schaut mich an. Und während ich ihren Blick erwidere, möchte ich die Tür hinter mir leise ins Schloss schnappen lassen, verschätze mich gefühlsmäßig um einige Zentimeter und knalle sie laut zu. Ich ziehe mit letzten Kräften ein schuldbewusstes Gesicht.
    »Na, wie lief ’s denn?«, fragt sie erstaunlich vertraut. Sie scheint nicht im Bilde zu sein, was gerade vor sich ging.
    »Oh, gut. Ganz gut. Vielleicht nicht ganz
so
gut. Zum Glück rief seine Frau an!«, antworte ich lächelnd und zwinkere ihr zu, um zu verbergen, wie kleinlaut mir zumute ist. Das funktioniert bei mir ganz passabel: trotz innerem Tumult, Kopf hoch und sinnvolle Sätze bilden. Subjekt, Prädikat, Objekt.
    »Das war nicht seine Frau. Das war seine Tochter. Corinna.«
    »Ach ja richtig, Corinna, so heißt ja seine Tochter.« Ich winke und bin raus.
    Fest steht, ich stehe vor einem Rätsel.
    In einem unbeobachteten Moment schlage ich auf dem Gang mit der Faust gegen eine gusseiserne Fensterleiste. Damit lenke ich mich vom Unbegreiflichen ab. Ich gebe irgendeinen Laut von mir. Das ersetzt Nasenhochziehen. Ein Fingerknöchel ist definitiv angebrochen. Der aus dem Schmerz resultierende Tränenfluss verstärkt mein Nasenverstopfungsgefühl. Ich bin mit den Nerven am Ende. Husche in Windeseile weiter entlang des Korridors, der sich nach beiden Seiten ins Unendliche erstreckt. Ich muss jetzt allein sein. Wieder kommt mir jemand entgegen, kurz bevor ich scharf links abbiege. Er grüßt: »Guten Tag, Herr Dr. Peng.« Und ich sage durch zusammengebissene Zähne: »Mann.« Ich konzentriere mich darauf, wie das Blut durch meine Adern fließt. Was war das gerade eben? Ich soll bei Air Linus die Beherrschung verloren haben? Ich erinnere mich an meinen merkwürdigen Moment, kurz bevor ich A. L. I. verließ. Ich fühlte mich anders, ohne jedoch die Natur dieses Andersseins näher bestimmen zu können. Was ist bloß los? Vielleicht ist das alles ganz logisch, und ich habe gerade etwas nicht begriffen. Womöglich erweist sich das Ganze bei genauerer Analyse als Farce. Ich entere mein Büro. Wie ein Gestrandeter. Werfe meine Tasche auf den Tisch. Ohne erkennbaren

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