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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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Instruktionen für das korrekte Verhalten im Brandfall. Als ob das was helfen würde. Der TV-Apparat flimmert unangenehm. Nur die ersten vier Programme sind störungsfrei zu empfangen.
    Ich erschrecke, als ich auf Kanal 2 einen Bericht über ein Flugzeugunglück sehe. Es ist unsere Maschine. Wie schnell die beim Fernsehen sind! Explosion, Telefon, zack, zack, schon auf Sendung. Kyrillische Schrift untertitelt den Bericht, der von einer russischen Studio-Kommentatorin präsentiert wird, die ununterbrochen auf ihren Ohrhörer drückt. Ein Vor-Ort-Reporter wird eingeblendet. Ein Interview mit einer Stewardess, die mir vor drei Stunden noch das Essen serviert hat. Ein Interview mit einem Feuerwehrmann mit einem wirklich großen Helm. Ein Kameraschwenk über das Gate, in dem ich gerade erstversorgt wurde. Meine Güte, eine Großaufnahme des Lochs in der Flugzeugwand. Es sieht martialisch aus. Ich wundere mich, dass ich lebe. Dann wieder die Moderatorin im Studio, und dann, klar, eine verdammte Wettervorhersage in aller Ausführlichkeit, mit Satellitenbildern, die sich doch keine Sau jemals wirklich ansieht.
    Der rote Ausschaltknopf der Fernbedingung ist durch Abnutzung schon sehr tief eingedrückt, und ich muss es mehrmals mit der Fingerspitze versuchen. Ich schalte das Licht meiner Nachttischlampe aus. Leider muss ich feststellen: Nur weil es nicht hell ist, ist es noch lange nicht dunkel. EinScheinwerfer oder eine Straßenlaterne leuchtet mir direkt ins Zimmer.
    Ich mache das Licht noch mal an und gehe pinkeln. Schiebe anschließend ein Handtuch vor die Zimmertür, damit es durch die Ritze nicht zieht. Zwecklos. Lege mich wieder ins Bett. Ich muss nachdenken. In meiner Situation hilft nur sachliche Analyse. Das drängt auch die echten und eingebildeten Ängste zurück. Aber ich verfalle in richtungsloses Grübeln. Die Realität überfordert mich. Das weiche Bett ist sicher schlecht für den Rücken. Als ob ein hartes das nicht auch wäre.
But I sent you away, oh …
    Was ich nicht verstehe, ist, wieso mir die ganze Zeit die Melodie von »Mandy« durch den Kopf geht. Merkwürdig. Als der Schüttelfrost einsetzt, dass meine Zähne klappern, merke ich, wie körperlich ausgelaugt ich bin. Biss in meine innere Unterlippe.
    Ich nehme eine Unterhose aus einer der Verpackungen und ziehe sie mir über den Kopf, damit meine Augen verdeckt sind. Eine provisorische Schlafmaske gegen den grellen Außenstrahler.
    Ich lösche das Licht. Meine Geduld mit mir ist erschöpft.
    Oh Mandy, well you came and you gave without takin’ …
    Komisch.

36
    Drei Stunden zähneknirschenden Schlafs. Es ist noch so früh, dass es hier im Zimmer nur zwei Farben gibt. Grau und Schwarz. Draußen Nieselregen. Ich habe einen schweren Kopf, meine Beule im Gesicht schmerzt, sie ist seit gestern gewachsen. Vorsichtig betaste ich die Wucherung und lasse mich nicht dazu hinreißen, Form und Umfang mit einer Zitrusfruchtzu vergleichen. Die Luft ist dick und stickig. Toxische Schimmelsporen. Könnte sein, da ziemlich viele kleine, verschiedenfarbige Teppichflächen und Läufer im Zimmer ausliegen. Nichts wie raus hier. Schnelle Katzenwäsche. Ich steige in den Slip, der noch warm von meinem Kopf ist, reiße eine Zellophanhülle auf und schlüpfe in die schwarze Anzughose, mindere Qualität, zerfetze die nächste Packung, werfe mir das weiße Hemd über und steige in meine Schuhe. Mache mich auf die Beine. Stelle fest, meinem Fuß geht es wieder besser, eigentlich schon wieder vorbei, keine Schmerzen, kein Humpeln. Was schnell kommt, geht auch schnell.
    Bevor ich die Zimmertür ganz öffne, spähe ich durch den Schlitz, als genierte ich mich. Kein Securitymann vor meinem Zimmer. Zwei Gäste eilen in jeweils entgegengesetzter Richtung durch den Flur. Niemand nimmt Notiz von mir. Trotzdem fühle ich mich beobachtet.
    In dem Moment, in dem die Tür ins Schloss fällt, bemerke ich, dass ich meine Schlüsselkarte vergessen habe. Ich rüttle an der Drehklinke und beschließe, dass es dieser Tür noch leid tun wird, dass sie mich ausgesperrt hat. Zur Bekräftigung trete ich mit dem Fuß dagegen. Mir selbst kann ich meine jähzornige Seite nicht verhehlen. Vielleicht eine Folgeerscheinung permanenter beruflicher Kampfbereitschaft.
    Ich betrete den Frühstücksraum, ein Riesensaal mit einem Glaskuppeldach. Man hat das Gefühl, in einer so großen Halle könnten sich Quellwolken bilden. Eingerichtet das Ganze in etwa: Moskau zur Zarenzeit.
    Da ich zu dauerndem

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