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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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ausschließlich Ragout, bleibt cool, sieht über den Rand seiner Brille hinweg ins Auditorium und antwortet mit gutmütiger und zugleich überlegener Miene das, was man antwortet, wenn es nichts zu antworten gibt, weil die Frage bereits beantwortet wurde. Alle Achtung. Ein kühler Kopf auf schweren Schultern.
    Dann schiebt doch noch jemand eine weitere Frage dazwischen – warum man nicht in Betracht gezogen hätte, den Inlandsflugverkehr kurzzeitig einzustellen –, und der Inspektor legt die Hand aufs Mikrofon, um mit seinem Nachbarn kurz die Antwort abzusprechen, die da lautet: »Kein Kommentar zum gegenwärtigen Zeitpunkt.«
    Die Pressetante verkündet mit wirklich furchtbar affektiertem Gehabe: »Genug der Fragen.«
    Jalousien fahren herunter, der Raum wird verdunkelt. Links von mir schwebt eine weiße Leinwand von der Decke.
    Das Video wird gezeigt. Das editierte Video, das in wenigen Minuten weltweit über die TV-Stationen flimmern wird.
    Es geht los. Wieder zuerst das Schneegestöber, diesmal ohne Rauschen. Wieder der Countdown, vier, drei, zwo, eins, null. Totenstille im Raum. Stumme Faszination über ein optisches Dokument der Katastrophe. Was gibt es Schöneres!
    Ich erkenne auch in der Dunkelheit die hungrigen Augen der Journaille. Ihr leichenfledderisches Interesse. Ich drehe mich zu der Leinwand. Sehe das eben bereits Gesehene in der überdimensionalen Wiederholung. Das da, das da, das da links am Bildrand, ja, das bin ich. Da, ich stehe gerade auf. Ich hangle mich Richtung der Dicken. Als würde ich ihr helfen wollen, sie retten wollen.
    Verblüffung. Jetzt sehen es alle. R E T T E R . Ich, der Retter.
    Mein Stolpern bemerke ich erst jetzt, beim Durchgang vorhin ist es mir entgangen. Eine Medaille für Eleganz und Geschmeidigkeit wird mir nicht verliehen werden. Ich starre auf die Leinwand und tue gleichzeitig mein Bestes, das abgekratzte Etikett einer Wasserflasche, das ich in den letzten Minuten zusammengeknüllt habe, wieder glattzustreichen. Das Video ist und bleibt der Kategorie »Das muss man gesehen haben, um es wirklich zu glauben« zugehörig. Immer nochvoller Zweifel, aber was wir an die Wand projiziert beobachten, hat sich ereignet. Akzeptier’s endlich! Ein für alle Mal. Deshalb sitzt du hier. Es gibt kein Zurück mehr. Komm klar. So ist das jetzt. Und aus.
    Ich merke, wie mich bereits einzelne Blicke durch den dunklen Raum taxieren und abgleichen, ob ich der Typ sein könnte, der da auf der Leinwand gerade ein Menschenleben in Sicherheit bringt.
    Der Heiland der morgigen Titelseiten. Ist er das? Köpfe drehen sich hin und her. Ihre Neugierde ist geweckt. Ja, das ist er.
    Ich genieße ihre Aufmerksamkeit. Und zwar die volle.
    Mir geht auf, ich werde gerade präsentiert. Ein Präsent. Den Löwen zum Fraß vorgeworfen.
    Ich weiß, jetzt gehöre ich den Medien. So gut wie.
    Freigegeben zur Abschlachtung. So ungefähr.
    Ich weiß, sie sind mir überlegen. Und zwar haushoch.
    Als könnte ich entfliehen, schaue ich zu der Ausgangstür am weit entfernten anderen Ende des abgedunkelten Saals. Unter der Tür – ein Lichtstreifen.
    Ich habe Angst. Und wie.
    Ich bin … Panisch ist gar kein Ausdruck.
    Ich malme – was ich mir abgewöhnen muss. Schleunigst.
    Ich ahne, das war’s. Ziemlich sicher.
    Das macht mich fertig. Und zwar richtig.
    Es fährt mir durch die Glieder.
    Ich bin geliefert. Aber so was von.

41
    Der Film endet, das Licht geht an, und die Jalousien fahren surrend hoch. Alle Blicke sind auf mich gerichtet. Die ganze Pressemeute stiert mich an, als hätte sich meine Hautfarbeplötzlich in Violett verwandelt. Ihr unersättlicher Appetit auf verwertbares Frischfleisch steht ihnen auf die Stirn geschrieben.
    Obwohl ausdrücklich verboten, werden Fotos gemacht, was mir einen Schreck einjagt. Ich bin damit beschäftigt, jenes Plastikgesicht aufzusetzen, das man aufsetzt, wenn man Mühe hat, nicht laut zu kreischen. Zumindest bewirken die Blitzlichter, dass ich nicht sofort in erdrückende Lethargie verfalle. Nichts wäre jetzt tödlicher als Gleichmut.
    In beinahe hypnotischer Versenkung nehme ich wahr, wie Herr P das Wort erhebt, Details zur Installation der Kamera an Bord erklärt und berichtet, wie sehr das Videomaterial zur Rekonstruktion der Geschehnisse beitragen wird. Die laufende Auswertung werde noch viele aufschlussreiche Hinweise zur Klärung des gesamten Unfallablaufs liefern. P spricht konzentriert und wohlformuliert, wie auswendig gelernt. Manche haben diese Gabe.
    Ich höre

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