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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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es betrachtet, dies ist ein Selbstzerstörungstrip. Aber das geht in Ordnung. Damit hab ich keine Probleme. Alle dreiliegen k. o. am Boden und schnaufen schwer. Also zwei davon. Einer ist ja tot. Der liegt da mit einer Körperhaltung, die ihm zu Lebzeiten sicher peinlich gewesen wäre. Nun haben sie ausgespielt, die Herrn. Es stimmt einfach: Ich bin im Einstecken nicht so gut wie im Austeilen. P stützt sich mit den Armen am Boden auf. Sein Gesicht: irreparabel entstellt. Zumindest von meiner Warte aus. Er murmelt etwas schwer Verständliches vor sich hin: »Ifspoiuklatz.« Irgend so was. Also Ifspoiuklatz kann alles Mögliche bedeuten. Ich runzle die Stirn. Ein Spitzname? Russisch für: »Treiben Sie es nicht zu weit«? Mein Blut nähert sich langsam aber sicher dem Siedepunkt. Leckt mich alle kreuzweise. Ich renne los. Nicht durchs Treppenhaus. Ich wähle die waghalsigere Alternative durch ein Fenster. Springe vom ersten Stock auf den Vorplatz und sprinte rüber zum Hangar. (Den Teil mit dem mongolischen Zyklopen, dem ich den Arm breche, lasse ich weg.) Vorbei an ein paar gaffenden Idioten, Mechanikern und einem vollkommen verdutzten Typen mit »Follow Me«-Schild in der Hand. Ich erreiche den Hangar. Kriege kaum Luft in der Kälte. Spucke seitwärts. Blicke in die Richtung, aus der ich gekommen bin. Betrete die Halle, leer, verstecke mich hinter einem Wall aus blauen Metalltanks. Für ein paar Sekunden verharre ich in meinem Versteck. Kauere mich zusammen. Rapple mich auf. Muss wieder in Deckung gehen, als ich jemanden kommen höre. Lausche. Doch nichts. Ich entdecke eine 747, strahlend weiß, am anderen Ende des Hangars. Wer A sagt. Muss auch. Usw. Jetzt oder nie. Los. Ich laufe. Egal, wenn ich dabei draufgehe. Und in mehr als einer Hinsicht ist es mir auch gleichgültig. Muss ich an der Maschine hochklettern? Nein, auf der anderen Seite steht eine fahrbare Treppe. Ich nehme je drei Stufen auf einmal. Ehrlich gesagt bin ich jetzt schon am Rande der Erschöpfung. Lege also noch eine Verschnaufpause von 1,389 Sekunden ein. Schaue in die Halle. Noch kein Störenfried in Sichtweite. Merkwürdig. Betrete dieMaschine, gehe ins Cockpit, setze mich auf den Captain-Sessel und starte den Motor. Die Bedienung der Geräte ist kinderleicht. Völlig logisch. Lenkrad, Gas, Bremse. Kupplung? Automatik? Rolle auf die Startbahn. Ein verhältnismäßig ruhiger Start für einen Debütanten. Muss man sagen. Mein Highlight des Tages. Ich war ja noch nicht einmal in einem Flugsimulator. Null Vorkenntnisse. Ja, gar nicht schlecht, muss man wirklich sagen. Bei aller gebotenen Bescheidenheit. Zumal wenn man bedenkt, was ich heute schon alles einstecken musste. Eins Komma vier Millionen …
    Ich schüttle meine offene rechte Hand aus. Sie schmerzt von den Schlägen, die ich verabreicht habe.
    Steigflug. Genau richtig steil. Ich erreiche Reiseflughöhe. Über den Wolken ist die Sonne so schön, dass man ihr ins Auge schauen
muss
. Aber nicht zu lange. Von den Randinformationen der letzten Sonnenfinsternis weiß ich: Gefahr für die Netzhaut. Wahre Horrorgeschichten habe ich da gehört.
    Ich gewinne wieder ein bisschen Fasson. Lenke die Boeing so vor mich hin. (Auch mein zweifacher Looping tut hier nichts zur Sache.) Ängste und Zweifel Äonen entfernt. Beim Betrachten der Aussicht ereilt mich sogar ein Anfall von Verzückung. Der Himmel ist von einem süßlich-blauen Farbton, dass es beinahe schmerzt. Frostig glitzerndes Lagunenmeer. Schade, dass Fynn jetzt nicht hier sein kann. Das wäre das Größte für ihn. Schade. Ich schalte auf Autopilot, frage mich, ob ich wusste, dass ich überhaupt zu so einer Aktion fähig bin. Und bin froh, ganz offensichtlich nicht einem Bild entsprechen zu müssen, das ich mir von mir gemacht habe. Ich breite eine Wolldecke mit dem Logo der Airline über mich – A. L. I., Zufall – und mache ein Nickerchen.
    Sehr viel später lande ich in München.
    Mörderaktion! Einfach so zu fliehen.
    Und genau das hätte ich tun sollen.

40
    Die ganze Pressekonferenz findet auf Englisch statt. Im Erdgeschoss meines Hotels, in einem großen, luxuriösen Tagungsraum. Berstend voll. Reporterscharen sitzen eng an eng in zahllosen Stuhlreihen. Dutzende neugieriger Augenpaare. Hungrige Geier, die unter Scheinwerfern und Abgabefristen schwitzen und sabbernd nach frischen Sensationen dürsten. Und rechts vor der Empore, hinter einer provisorischen Absperrung, haben sich zahllose Kamerateams aufgebaut, Kabel schlängeln sich

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