Paranoia
versuchen. Die machen mich fertig, wenn ich nicht einwillige. Und wenn sie nur die Wahrheit ans Licht kommen lassen. Das darf nicht publik werden. Nicht auszudenken. Nicht auszudenken, was denen noch so einfällt, um mich zu schikanieren. Die machen mir die Hölle heiß. Hinrichtung. Tortur. Nabelschau. Alles vorbei. Beruflich würde ich kein Bein mehr auf die Erde kriegen.
Bloß Geld. Als Gegenleistung für meinen Frieden. Skepsis, ob ich bekomme, was mir zugesichert wird. Skepsis ist immer angebracht. Aber kein Zweifel, was zu tun ist. Strategisch gesehen. Das einzig Richtige. Weil alles andere das garantiert Falsche wäre. Fraglos. Oder? Ja.
Korrekt kombiniert.
Hypothesen durchgespielt.
Folgerichtig abstrahiert.
Bereit? Alles klar.
Ich nicke. Einverstanden, wir sind handelseinig geworden.
»Ach und noch mal: Alles, was hier gesprochen wurde, muss unter uns bleiben.« Er lächelt, ganz Showman, klopft mit seinen Fingerknöcheln bekräftigend auf die Tischplatte, wirft den Arm aus, winkelt ihn an, liest die Uhr an seinem Handgelenk und sagt: »Höchste Zeit. Lassen Sie uns aufbrechen.«
Er rutscht von der Tischkante. Blitzartig gehorchen seine beiden Wachhunde dieser Geste und setzen sich in Bewegung. Ich erhebe mich und hänge schief zwischen meinem Stuhl und dem Tisch, so linkisch, wie man eben steht, wenn man nicht weiter kann, weil Herr Bizeps und Herr Trizeps an einem vorbei- und vorausgehen. Und vielleicht auch, weil ich soeben um 1,4 Millionen Euro erleichtert wurde und
nur einen winzig kleinen Moment gezögert habe
.
P gibt mir ein Zeichen, bitte zu folgen. Dabei deutet er eine kurze polemische Verbeugung an und sagt: »Snajete gospodin P, shisn, eto odin bolschoi sakulisny torg.«
Und das Eigenartige ist, ich weiß, was er meint.
39
Schon
wieder einen Gang entlang. Auch dieser Korridor ist endlos tief und relativ eng. Die zwei Bodyguards rumpeln vorneweg. Mit ihren massigen Schultern und den Stiernacken sehen sie von hinten irgendwie verschwistert aus.
Wie im zweireihigen Entenmarsch trabt P auf seinen Einlegesohlen neben mir. Auf seiner Wange klebt etwas Asche von dem Zigarillo. Ich neige nicht dazu, jemanden auf so was hinzuweisen. Vor nicht mal einer Minute habe ich eine Überweisung über rund eine halbe Million Euro in die Wege geleitet. Den Rest des Schweigegelds (Freikaufgeldes?) kann ich erst anweisen, sobald ich meinen Mann bei der Bank telefonisch erreiche. Es ist zu früh in Deutschland, noch keine Bürozeit.
Wenn ich das richtig sehe, sind wir auf direktem Weg zur Pressekonferenz. Oder kann ich mich davor noch mal frisch machen oder ein bisschen Luft schnappen? Ich frage lieber nicht nach. Bin platt.
Man führt mich wohin. Gefangener bin ich aber wohl keiner.Eher ein Kooperator. Spielt das eine Rolle? Ich ziehe die Schulter nach hinten, wie um eine Rückenverspannung zu beseitigen.
Ein paar Meter weiter den Flur entlang. Obwohl ja die beiden Kraftpakete vor mir gehen und es abkriegen müssten, laufe ich durch ein unsichtbares Spinnennetz, das sich erst auf meiner Nase verfängt und sich dann in mehrere Richtungen über meine Wangen spannt. Ich wische mir hektisch übers Gesicht und ziehe dabei ein Fratzengesicht, einem Grinskrampf nicht unähnlich.
Im Gehen händigt jemand, der springteufelhaft aus einer Seitentür tritt, Herrn P ein Handy aus, nickt ernst. P reicht mir mein Handy weiter. Als ich es anschalte und dabei auf die Anzeige schaue, kann ich zusehen, wie es sich sofort wieder abschaltet. Ich versuche es erneut, aber der Akku ist leer.
Das reicht.
Ich lasse das Telefon in die Hose gleiten. Dann kommt’s. Ich erstarre, das Blut schießt mir in die Wangen und in die Stirn, es hämmert unaufhörlich in meinen Ohren. Fünf Buchstaben, eine Silbe: Krieg. – Ja, fünf ist korrekt. In solchen Momenten kann man sich nur auf sich selbst konzentrieren, nichts anderes. Ich weiß, was jetzt nottut. So in etwa. Ich trete dem linken Zuchtbullen vor mir heftig ins Kreuz, und als er ins Hohlkreuz kippt, schlage ich ihm mit der Faust in seine Nieren, Hinterkopf, wieder Nieren, noch mal Hinterkopf. Er fällt vorneüber. Dann ein High Kick für den rechten Vasall, auf die linke Schläfe. Tot. Sofort. Ach, du grüne Neune! Vom Nervenkitzel gepackt. Offen gesagt wusste ich gar nicht, was ich vorhatte. Zu spät. Hitzkopf. Weiter. P schreit mich an, ich solle es lassen, ich hätte keine Chance zu entkommen. Ich bringe ihn mit einem klassischen Rechtsausleger zum Schweigen. Egal, wie man
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