Paranormal - Fuenf Romane mit Patricia Vanhelsing
du weißt ebenso wie ich, dass das, was du gesehen hast, nicht zwangsläufig eintreten muss.
Es ist eine Möglichkeit..."
"...mit hoher Wahrscheinlichkeit."
Tante Lizzy nahm mich in den Arm. Und ich fühlt mich an die Zeit zurückerinnert, als ich noch ein kleines Mädchen war.
Oft hatte sie mich so getröstet. Und für einige Augenblicke verdrängte ich das Wissen darum, dass weder sie noch sonst irgendein Mensch mich vor jenen Kräften schützen konnte, deren Pläne ich wiederholt zu durchkreuzen versucht hatte.
Ganze zweieinhalb Stunden Schlaf blieben mir in dieser Nacht noch.
Ich schlief wie ein Stein und fühlte mich am Morgen, als der Wecker klingelte, wie tot.
Nachdem ich angezogen in der unteren Etage erschien, hörte ich, wie Tante Lizzy in der Bibliothek auf und ab ging. Ich ging zu ihr hin, blickte durch die halboffene Tür und begrüßte sie.
"Hallo, Patti", rief sie.
Die Tische und ein Teil des Fußbodens waren mit handbeschriebenen Blättern und dicken Kladden bedeckt, die aufgeschlagen waren.
Ich wusste nur zu gut, worum es sich dabei handelte. Es war ein Teil der Tagebuchaufzeichnungen von Frederik Vanhelsing, dem auf einer Forschungsreise in den brasilianischen Regenwald verschollenen Ehemann meiner Großtante. Ihr Gesichtsausdruck war leicht melancholisch.
"Es ist ein seltsames Gefühl, in diesen alten Aufzeichnungen zu stöbern", bekannte sie. "Und die Erinnerung ist jedesmal ein wenig schmerzhaft..."
"Warum tust du es dann?", fragte ich und unterdrückte ein Gähnen. Dann ergänzte ich noch: "Ich meine, warum gerade jetzt?"
Ein mildes Lächeln umspielte ihre Lippen. "Ab und zu tue ich das", sagte sie. "Ich habe dann das Gefühl, Frederik nahe zu sein. Ich glaube dann förmlich zu spüren, dass er irgendwo existiert, vielleicht weit von mir entfernt und ohne eine Möglichkeit, mit mir in Kontakt zu treten. Aber in diesen Momenten, da glaube ich dann wirklich daran, dass Liebe den Tod überwinden kann, Patti..." Ihre Stimme hatte einen belegten Klang. Sie blickte auf, mir geradewegs in die Augen.
Mit festerer Stimme erklärte sie dann: "Diesmal allerdings habe ich nur deinetwegen in den alten Aufzeichnungen herumgestöbert..."
"Meinetwegen?"
"Quanandro... Dieser Name kam mir gleich irgendwie bekannt vor. Ich konnte ihn nur nicht einordnen. Aber jetzt weiß ich es wieder..."
Sie ging an einen der Tische. Zwischen dem Wust aus Kladden und losen Blättern befand sich ein blau schimmernder Stein, nicht größer als ein Daumennagel. Tante Lizzy reichte ihn mir. Ich nahm ihn in die Hand. Gleichzeitig spürte ich ganz schwach die Anwesenheit einer übersinnlichen Energiequelle.
Der Stein...
"Was ist das?", fragte ich.
"Frederik brachte diesen Stein von seiner Mittelamerikareise mit, als er die Talketuan-Kultur untersuchte."
"Zusammen mit der Ordensmaske!", stellte ich fest.
Tante Lizzy nickte. "Ja, aber dieser Stein war kein Fundstück. Ein Indio gab ihm diesen Stein als Mittel gegen 'Los Quanandros', wie Frederik in seinen Aufzeichnungen schreibt. Sumpf- und Walddämonen, deren Beschreibungen sehr dem Bild ähneln, das Sören Brönstrup anfertigte..."
Ich hob den Stein hoch, ließ ihn im Licht funkeln.
"Weißt du, woraus er besteht?"
"Sir Peter Dreadford, ein befreundeter Geologe, ist der Ansicht, dass es sich um einen sogenannten Paliakat handelt. Sir Peter wies im übrigen auch nach, das Paliakate von Energiefeldern bisher nicht bekannter Art umgeben sind. Leider gelang es ihm nicht, sein Experiment zu wiederholen, so dass seiner Arbeit die wissenschaftliche Anerkennung letztlich versagt blieb."
Ich wollte ihr den Stein zurückgeben, aber Tante Lizzy schüttelte den Kopf.
"Ich möchte, dass du ihn auf eurer Florida-Reise bei dir trägst!", forderte sie. "Ich habe einige Hinweise in älteren Schriften über die Wirksamkeit dieser blauen Steine gefunden... Hermann von Schlichten berichtet in seinen Notizen zum verschollenen zweiten Band der ABSONDERLICHEN
KULTE, über ähnliche Steine, die er von einem Reisenden und Abenteurer erhielt. Von Schlichten stellt die Theorie auf, dass von ihnen eine Art Kraftfeld ausgehe, das gezielte Angriffe mit übersinnlicher Energie auf die Willensfreiheit eines Menschen schwächen könnte..."
"Ich werde ihn tragen", versprach ich. "Wenn du dir dann weniger Sorgen machst!"
Tante Lizzy lächelte. "Das wohl kaum!"
Ihr Blick war plötzlich sehr ernst.
Ich ahnte, dass sie mir noch nicht alles gesagt hatte.
Sie nahm mich bei der Hand. Wir gingen
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