Paranormal - Fuenf Romane mit Patricia Vanhelsing
stattgefunden haben. Alles drehte sich vor meinen Augen. Ich schwankte leicht, spürte etwas, das mich am Ellbogen hielt und begriff mit einer Verzögerung mehrerer Sekunden, dass es Tom war, der mich festhielt. Ich blickte in seine meergrünen Augen.
Er wusste genau, was mit mir los war.
"Tom...", flüsterte ich.
Der Druck in meinem Kopf stieg von Augenblick zu Augenblick, dann dröhnte ein dumpfer, tierhafter Ruf durch das Gewölbe.
Das Maul des aus Lehm geformten Riesenamphibiums öffnete sich. Eine unheimliche Art von Leben erfüllte die eigentlich tote Erde. Die Skulptur bewegte sich. Und in den den blinden Augen bildeten sich grellrote Lichtpunkte, die innerhalb weniger Sekunden größer wurden. Sie erreichten die Ausmaße von Glühbirnen. Ihr Schein flackerte rhythmisch auf. Die Lehmgestalt bewegte die Beine und kam einen ganzen Meter in unsere Richtung voran.
"Vorsicht! Zurück!", rief Brian Delrey mit von schierer Todesangst gezeichnetem Gesicht.
Wir wichen bis zur Tür zurück.
Nur Kelvorkian hielt sich nicht daran.
Er blieb stehen, breitete die Arme aus und rief beschwörend eine Silbenfolge.
Das Monstrum näherte sich.
Das Pulsieren hinter meinen Schläfen raubte mir beinahe das Bewusstsein. Ich griff in meine Hosentasche, in der ich den kleinen blauen Stein trug, den Tante Lizzy mir mit gegeben hatte. Ich holte ihn hervor, umklammerte ihn. Ein prickelndes Gefühl der Kraft durchflutete mich, fuhr den Arm empor und beruhigte mich.
Ich blickte wie gebannt auf Kelvorkian, dessen Singsang jetzt abbrach.
Auf dem feuchten Boden bildeten sich - wie aus dem Nichts heraus - magische Zeichen. Es waren Pentagramme mit eigenartigen Zusätzen und Verzierungen.
Sie leuchteten in derselben kalten blaugrünen Farbe wie das Licht der Fackeln.
Dann schossen aus diesen Zeichen grelle Strahlen heraus und konzentrierten sich an einem Punkt, mitten auf dem Kopf des Lehmungeheuers.
Die aus bloßer Erde geformte Gestalt erstarrte. Innerhalb eines einzigen Lidschlages wurde sie wieder das, was sie zuvor gewesen war.
Eine Skulptur ohne auch nur den Anschein von Leben.
Sie erstarrte mitten in der Bewegung. Das breite Amphibienmaul war verzerrt. Die großen Pranken beinahe wie zum kurz bevorstehenden Sprung ausgestreckt.
Kelvorkian drehte sich zu uns um. Das Licht der Fackeln spiegelte sich in seinen abgrundtief dunklen Augen. Ein leicht triumphierender Zug umspielte die dünnen Lippen.
"Fürs erste ist die Gefahr gebannt", erklärte er. "Aber Quanandros Kraft wird immer größer... Er wird weitere seiner Diener auf der Erde materialisieren lassen, die dann umherziehen und blindlings töten. Erst nur in den Sümpfen. Dann wird es ihnen nicht mehr ausreichen, sich auf dieses Gebiet zu beschränken. Sie werden binnen kürzester Zeit so viele werden, dass sie ihr Jagdgebiet erweitern müssen... Es gibt einige Großstädte in der Nähe!"
"Lasst uns diesen furchtbaren Ort verlassen", schlug nun Delrey vor. "Ich glaube, unsere Gäste haben fürs erste genug gesehen..."
*
Ich atmete tief durch, als wir die düsteren Katakomben unterhalb des Puerto de las Cabezas verlassen hatten und wieder in der weiträumigen Empfangshalle standen. Linda Reilly wartete dort. Sie war nicht mit uns in die unterirdischen Gewölbe gestiegen. Jetzt empfing sie uns mit einem leicht spöttischen Blick.
"Nun, Miss Vanhelsing? Haben Sie die Wahrheit gesehen?"
Sie kicherte wie irre. "Die ganze Wahrheit kenne nicht einmal ich, obwohl ich schon jahrelang in diesem furchtbaren Gemäuer hause... Die ganze Wahrheit kann Ihnen nur Brian erzählen..."
Sie zwinkerte ihm zu.
Dann ging sie davon, verschwand in einer der zahlreichen Seitentüren, durch die man von der Eingangshalle aus gehen konnte und drehte sich dabei nicht um.
"Sie sollen keinen falschen Eindruck von Linda bekommen", sagte Brian Delrey dann mit etwas belegter Stimme. "Linda ist sehr krank... Sie hat sich in den letzten Jahren ziemlich verändert. Ich möchte später noch mit Ihnen reden, Miss Vanhelsing. Später..." Sein Blick ging zu jener Tür, durch die Linda verschwunden war. "Sie entschuldigen mich jetzt..."
"Sicher", sagte ich.
Archer zeigte uns unser Zimmer.
Es war so geräumig und hoch, wie alle andere Räumlichkeiten in diesem düsteren Anwesen.
Ich trat ans Fenster. Draußen hatte das Unwetter aufgehört.
Es regnete nicht mehr und ein frischer Wind aus Westen, von der Golfküste her, sorgte dafür, dass sich die Reste der wie drohende Schatten am Himmel
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