Paranormal - Fuenf Romane mit Patricia Vanhelsing
Notizen des berühmten Okkultisten Hermann von Schlichten, die dieser für den mysteriösen zweiten Band seines Hauptwerks ABSONDERLICHE
KULTE angefertigt hatte. Jenen zweiten Band, dessen vollständiges Manuskript wahrscheinlich bei einem Hausbrand ein Raub der Flammen geworden war.
Ein ganzer Stapel von Büchern befand sich auf dem Schreibtisch. Tante Lizzy trug den Turm ab. Es staubte dabei und ich musste unwillkürlich niesen. Dann lag Brönstrups LEHMFETISCHE UND GOLEMS vor mir.
"Brönstrup schrieb Englisch?", fragte ich erstaunt, während ich einen Blick auf die Titelseite warf.
"Nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten ja", erläuterte Tante Lizzy. "Er machte gewisse Experimente auf einem Friedhof in Stockholm und wurde wegen Grabschändung angeklagt. Um sich einer Bestrafung zu entziehen, floh er außer Landes."
In diesem Moment läutete der Türgong.
In Tante Lizzys Augen blitzte es. Von der Mattheit, die sie noch vor wenigen Augenblicken gezeichnet hatte, war so gut wie nichts geblieben. Sobald Tante Lizzy sich in ihre Arbeit stürzte, war sie in ihrem Element. Manchmal hatte ich ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil ich recht häufig bei Recherchen ihre Hilfe in Anspruch nahm. Stets hatte sie mich nach Kräften unterstützt, wenn es darum ging, etwas genauer zu erforschen, was auch nur im entferntesten mit übersinnlichen Kräften, Parapsychologie oder Grenzwissenschaften zu tun hatte. Aber im Moment half ihr eine solche Aufgabe vielleicht über die melancholischen Gedanken hinweg, die sie angesichts der jüngsten Ereignisse befallen hatten.
"Ich mach schon auf", sagte ich.
Aber Tante Lizzy schüttelte den Kopf und hatte, ehe ich mich versah, auch schon einige Schritte in Richtung Tür hinter sich gebracht.
"Der Besuch ist für mich!", sagte sie lächelnd. "Und falls es doch dein geliebter Tom sein sollte, werde ich ihn nett hereinbitten!"
Der Gong dröhnte ein weiteres Mal.
Der Besucher - wer immer es zu dieser späten Stunde auch sein mochte - war offenbar ziemlich ungeduldig.
Tante Lizzy eilte zur Haustür. Einen Augenblick später hörte ich eine sonore Männerstimme im Flur. Tante Lizzy führte einen kleinen, rundlichen Mann in die Bibliothek, der ungefähr ihr Alter hatte. Außer einem grauweißen Haarkranz hatte er keinerlei Haare mehr am Kopf. Der dreiteilige Anzug, den er trug, war maßgeschneidert. In der Linken hielt er eine Aktentasche, die an einer Stelle ziemlich ausgebeult war.
Tante Lizzy stellte mir diesen älteren Herrn als Professor Dr. Hugh St.John vor, einen Chemiker, der mit Onkel Frederik gut bekannt gewesen war. "Ich habe Professor St.John um die chemische Analyse der Ordensmaske gebeten", erklärte sie an mich gerichtet. Während der Ereignisse um Mondrich Manor waren wir einem Mitglied des ORDENS DER MASKE begegnet, der unter mysteriösen Umständen verschwand. Wir wussten nicht, wer er gewesen war. Nichts war von ihm geblieben als die zu einem formlosen Klumpen Materie geschmolzene Maske, die er getragen hatte. Mit Hilfe ihrer Masken erhielten die Mitglieder ORDENS Befehle von ihrem Herrn und Meister, einem Wesen namens Cayamu, das auf dem Planeten einer fernen Doppelsonne residierte. Außerdem konnten sie sich mit ihrer Hilfe in sogenannte Geister der Sonne verwandeln - grauenerregende und beinahe unverwundbare Wesen, die Cayamus Befehle bedingungslos ausführten.
"Nun, Mrs. Vanhelsing", wandte Professor St. John sich an meine Großtante. "Ich muss Ihnen leider sagen, dass meine Bemühungen nicht sehr erfolgreich waren..." Er griff in die ausgebeulte Aktentasche und holte den bronzefarbenen Klumpen hervor. Tante Lizzy nahm ihn entgegen und legte ihn auf einen der zierlichen runden Tische ab.
Sie hob erstaunt die Augenbrauen.
"Sie haben nichts über die chemische Zusammensetzung dieses Klumpens herausfinden können?"
"Nun, es handelt sich um eine Substanz, die auf der Erde unbekannt und beinahe unzerstörbar ist", erklärte Professor St. John. "Mit den Möglichkeiten unseres Instituts werde ich aber leider nicht viel mehr herausfinden können, Mrs. Vanhelsing. So gerne ich Ihnen auch helfen würde..."
"Nun, haben Sie trotzdem vielen Dank für Ihre Bemühungen. Möchten Sie noch eine Tasse Tee?"
"Nein, danke, Mrs. Vanhelsing. Um diese Zeit nicht mehr."
St.John druckste etwas herum. Ich spürte ganz genau, dass er noch etwas sagen wollte, aber nicht genau wusste, wie er es in Worte fassen sollte. Schließlich brachte er heraus: "Woher haben Sie
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