Paravion
von einst freigekauften Sklaven ab, das war vor langer Zeit geschehen –
nur Cheira und Heira konnten sich noch daran erinnern –, und es war der Grund für die Verachtung, die man Baba Baluks Vater immer entgegengebracht hatte. Die Männer des Dorfes mochten keine Schwarzen, und deshalb nannten sie ihn »den Sklaven«. Ein Sklave, sagten sie, sei noch nie eine passende Gesellschaft für Freie gewesen, auch wenn er in den Kleidern eines freien Mannes geboren wurde. Der Sklave müsse dem Stock gehorchen wie der Stock dem Sklaven, ein Sprichwort besagte: »Kaufst du dir einen Sklaven, so kauf dir gleich den Stock dazu.«
Die Verachtung des Teppichhändlers war besonders groß.
Jedesmal, wenn er Vater Baba Baluk zusammen mit seiner weißen Frau sah, schnaubte er durch die Nase und spuckte aus:
»Früher kostete so einer nicht mehr als ein Korb Bohnen, und jetzt nehmen sie uns die Frauen weg.« Unerhört sei das. Zwar hatte Baba Baluk die feinen Züge seiner Mutter geerbt, die runde Stirn, die großen Augen und die zärtliche Ausstrahlung, doch die Haut hatte er von seinem Vater, die glänzende schwarze Rinde voriger Generationen. Wie ein Erbteil ging sie vom Vater auf den Sohn über.
»Und diese grauen Augen, die hat sie doch auch von dir, oder etwa nicht?« bohrte Sofia weiter.
Das stimmte nicht ganz. Baba Baluk hatte zwar helle Augen, aber sie waren, wie die von Mamurra, bräunlich grün, die Schattierungen eines Herbstwalds. Ein Hauch Grau war nur in fernster Ferne zu entdecken, in den Rändern der Iris, und dann auch nur bei bestimmtem Lichteinfall. Meist aber gab es überhaupt kein Grau in seinen Augen, und es war nur deren lichte Helle, die den Gedanken an Grau aufkommen ließ. Das Kind allerdings hatte sehr deutlich ein fernes Aufleuchten von Grau in seinen Iriden. War Baba Baluk eigentlich so kurzsichtig gewesen, oder hatte Sofia ihre Schwangerschaft derart gut zu verstecken gewußt? Wohl beides.
Für einen Moment öffnete das Kind die Augen, die Fäustchen geballt und erhoben, die Gesichtshaut war etwas schuppig, es zog eine Grimasse, als wollte es gleich losbrüllen, gähnte dann aber nur sein Mündchen zum Oval und schloß danach die Augen wieder. Sofia betrachtete ihre Tochter voller Rührung, sie hatte sie in ein weißes, feucht-fleckiges Tuch gehüllt, wiegte sie in den Armen, wie-wie-wiegte sie in den Schlaf.
»Mein Schönpüppchen, mein Schätzchen«, flüsterte sie mit taunassen Augen. Um ihre Brustwarzen waren Milchkreise zu sehen und auf ihrer Stirn ein Kranz aus Sommersprossen. Sie sah Baba Baluk an, reichte ihm das Würmchen, das er ungeschickt und mit zitternden Händen entgegennahm.
»Na, komm schon. Es ist dein Kind. Gib ihm einen Kuß!«
Er spitzte den Mund und näherte sich damit der runden Stirn vorsichtig, als ob er einen Löffel heißer Suppe kosten wollte.
Das Kind roch leicht nach Zwieback und Biestmilch und strahlte eine enorme Wärme aus. Ein kleines Menschenmolekül, ein Mondtröpfchen, ein Teertropfen der Nacht. Die Haut war so weich, und die Fontanelle pochte.
Weiß und schwarz waren gleichmäßig verteilt, in vollendeter Symmetrie, das eine Profil zeigte ein negroides Kind, das andere ein Alabasterkind, Tochter einer Lilie.
Baba Baluks Lieder würden von nun an niemals mehr dieselben sein, so wenig wie sein Leben, das sich von nun an hinter den Vorhängen des Hauses auf der Hügelkuppe vollziehen würde.
Das Kind war noch zu klein, um lächeln zu können, doch im Schlaf kräuselte sich sein Mund für einen Moment, so daß man es durchaus ein Lächeln nennen könnte, und Vater und Mutter schauten sich erfreut und überrascht an.
»Schau, sie lacht schon.«
Die Mundwinkel des Kindes, noch naß von der eben genossenen Milch, zuckten, was in einer Zeit, in der Babys außer schlafen und weinen noch nichts können, so viel zählte wie ein Lächeln. Baba Baluk spürte einen Kloß im Hals, nicht vor Gerührtheit, sondern vor Mutlosigkeit. Er steckte die Hände in die Taschen seines Gewandes und kickte einen Stein weg. Es war vorbei, das spürte er intuitiv, die Zeiten des sorglosen Gesanges und des unbekümmerten Sex waren vorbei, die Tage der Intimitäten ohne Ergebnis, von Liebkosungen ohne die Gefahr einer Vaterschaft. Das alles war jetzt vorbei, und er kickte einen Kieselstein nach dem anderen weg, während er hinter Sofia her den Hügel hinaufstieg, zu beider Zuhause.
Warum, wußte er nicht, denn er kannte sie ja überhaupt nicht, aber er verfluchte Bombykina, die
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