Paravion
geschickt um den Unterarm, und siehe! – die Haut war wieder glatt. Stück für Stück, Glied für Glied wickelte sie sich in ihre neue Haut und hielt nur inne, um eine Träne wegzuwischen, wobei sich jedesmal ein Stück Haut löste.
Baba Baluk beobachtete das Ganze hinter dem Feigenbaum versteckt mit offenem Mund und verstörtem Blick. Dies waren Zeiten von offenstehenden Mündern und Verstörtheit. Zeiten der Veränderung. Als er zu Boden donnerte, schaute sie auf –
er hatte sich am Stamm abstützen wollen und dabei mit seiner blinden Hand ins Leere gegriffen.
»Es ist fast vorbei«, sagte sie und wischte sich mit dem Saum ihres Kleids die Tränen weg. »Es ist vorbei.«
Sie ließ den Papierstreifen, den sie gerade um ihr Schienbein gewickelt hatte, los und stieß einen tiefen Seufzer aus. An den Gelenken hingen die Papierenden noch lose. Eine unvollkommene Mumie.
»Jetzt ist es sinnlos geworden«, sagte sie mit einem bereiften Lächeln. Baba Baluk rappelte sich auf, rieb sich den Ellbogen, noch immer das Kind, das sie einst gefunden hatte, unter den Feigenbäumen. Er war gewachsen, das war nicht zu übersehen, aber das infantile Kichern und die jungenhafte Launenhaftigkeit hatte er noch nicht hinter sich gelassen. Das rührte sie, und ihr sprangen wieder Tränen in die Augen. Er trug noch immer dasselbe Gewand, das ihm nur noch bis zu den aufgeschürften Knien reichte. Er konnte sich einfach nicht an die weiten Hosen gewöhnen, die die Frauen für ihn genäht hatten, er brauchte die Luftwirbel bei jeder Bewegung.
»Hör zu«, flüsterte das Mädchen; langsam fiel ein Wickel nach dem anderen zu Boden. »Auch du wirst eines Tages diesen Ort verlassen, es ist vielleicht auch besser so. Alle werden sie mich verlassen, und wer nicht dazu in der Lage ist, wird es sein ganzes Leben lang wollen. Es ist vorbei, ich habe dir nichts mehr zu sagen. Du kannst die Ohren verschließen, die Nacht meines Schweigens ist angebrochen. Eine bittere Nacht. Eingesperrt, einsam im heißgeliebten Paravion, sehe ich kaum das Tageslicht. Doch allein bin ich nicht, alle meine Geister leisten mir Gesellschaft, meine Gefährtinnen. Mein Geist kommt über viele. Frosch- und Insektenlärm und Vogelgezwitscher beleben meine Erinnerung. Vielleicht sollte ich meine Wutausbrüche bereuen, und auch das, was ich dem Eseltreiber und dem Lehrer angetan habe, die Erniedrigung des Teppichhändlers, aber ich bedaure nichts. Manchmal habe ich mich nicht unter Kontrolle, aber welches Herz in Gefangenschaft hat sich schon unter Kontrolle. Du solltest wissen, wie sehr wir hier verkümmern, wie ich hier zugrunde gehe. Die Bräute tragen Schleier aus Jute; sie werden nur entschleiert, um mit etwas anderem gefesselt zu werden. Alles ist in Bewegung, alles verändert und verwandelt sich, nur mein Zustand nicht. Der Bach hat mein Lied gehört, die Grachten wiederholen meine Worte und singen das Echo meines Liedes, Schnee fällt wie Mandelblüten vor meinen Augen herab, das einzige Weiß in meiner Finsternis. All meine Farben, Früchte, Blüten habe ich verloren. Ich höre das ferne Wimmern verlassener Kinder, das traurige Zwitschern einer einsamen Schwalbe in einem Apfelbaum – sie berichtet mir die neuesten Nachrichten. Ein Schatten ohne Körper, eine Stimme ohne Hülle – das ist aus mir geworden. Mein Zorn war berechtigt.
Ich habe mich bemüht, dennoch wirst du werden wie sie, ich weiß es. Du bist wie dein Vater, dieser liebe Gimpel, mein einfältiger Ehemann. Du wirst leben: Wir sind tot. Doch wenigstens habe ich meine Stimme erhoben, habe die anderen Stimmen übertönt. Jetzt werde ich den mahnenden Worten des Windes Folge leisten: Ich werde schweigen, doch brechen wird mich niemand.
Deine Mutter Mamurra.«
3
Und so, meine Herren Torwächter, brach ich in der Verschwiegenheit der Nacht auf. Frau und Kinder, Ziegen und Feigenbäume ließ ich zurück, die eine im Badehaus, die anderen in der Ungewißheit. Das Abqar-Tal mit seinen Dämonen wird sich schon um meine Nachkommen kümmern.
Mein Lebeweib von Frau ist überall glücklich, wo ein Badehaus steht. Sie ist schön, o gewiß, Sie wissen genau – u-hu –, wie schön die Frauen meines Landes sind und wie sittsam! Ihr Gesicht, das ich zuletzt streichelte, war jenes Gesicht, welches ich unter dem Weinstock unseres ersten Blickwechsels sah und unter der Myrte unserer ersten Berührung liebgewann. Das war, bevor sie anfing zu gebären.
Halla! Halla! Paravion ist groß, und Sie sind großmütig,
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