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Paris im 20. Jahrhundert

Paris im 20. Jahrhundert

Titel: Paris im 20. Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Büro in der ersten Abteilung zugewiesen.
    Hier saßen talentierte Angestellte, einer war zuständig für die Expositionen, ein anderer für die Auflösungen, dieser für die Abgänge, jener für die Auftritte der verschiedenen Figuren; einem unterstand das Büro für volltönende Reime, wenn unbedingt Verse gewünscht wurden, einem anderen das Fachgebiet der geläufigen Reime für einfache Handlungsdialoge.
    Es gab auch eine Sondergruppe von Beamten, unter denen Michel Platz nehmen durfte; diese übrigens sehr tüchtigen Angestellten hatten zur Aufgabe, die Stücke der vorigen Jahrhunderte zu überarbeiten, entweder indem sie diese ganz einfach abschrieben, oder indem sie die Rollen umkehrten.
    Auf diese Weise hatte die Geschäftsleitung gerade erst im Théâtre du Gymnase mit der geistreich umgekehrten
Halbwelt
einen ungeheuren Erfolg verbucht; aus der Baronesse d’Ange war eine junge, naive Frau ohne jede Erfahrung geworden, die de Nanjac beinahe in die Falle gegangen wäre; ohne ihre Freundin, Madame de Jalin, eine ehemalige Geliebte des besagten Nanjac, wäre der Schachzug gelungen; die
Aprikosenszene
sowie die Darstellung jener Welt verheirateter Männer, deren Frauen man nie zu Gesicht bekam, setzte die Zuschauer in Begeisterung.
    Auch
Gabrielle
war überarbeitet worden, denn es lag im Interesse der Regierung, die Anwaltsfrauen bei ich weiß nicht mehr genau welcher Gelegenheit schonend zu behandeln. Julien war gerade im Begriff, sich mit seiner Geliebten aus dem ehelichen Heim davonzustehlen, als Gabrielle, seine Frau, ihm entgegentrat; und daselbst malte sie ihm ein solches Bild von der Untreue, wie er durch die Felder irren, schlechten Rotwein trinken und in feuchten Bettüchern schlafen würde, daß er von seiner Schandtat aufgrund erhabener moralischer Einsichten Abstand nahm und zum Schluß sagte:
    »Oh! Hausmutter! Oh! Poetin! Ich liebe dich!«
    Dieses Stück mit dem Titel
Julien
wurde sogar von der Akademie ausgezeichnet.
    Je weiter Michel in die Geheimnisse dieser bedeutenden Einrichtung vordrang, um so niedergeschlagener fühlte er sich; doch mußte er sich sein Gehalt verdienen, und bald wurde ihm eine wichtige Arbeit übertragen.
    Er sollte
Unsere besten Freunde
von Sardou überarbeiten.
    Der arme Kerl schwitzte Blut und Wasser; natürlich sah er das Stück zwischen Madame Caussade und ihren mißgünstigen, egoistischen und liederlichen Freundinnen vor sich; gewiß konnte man notfalls Doktor Tholozan durch eine Hebamme ersetzen, und in der Vergewaltigungsszene würde Madame Maurice sicherlich die Klingelschnur von Madame Caussade herunterreißen! Aber die Auflösung! Die unmögliche Auflösung! Auch wenn Michel sich noch so sehr den Kopf zerbrach, niemals würde es ihm gelingen, Madame Caussade von jenem berühmten Fuchs töten zu lassen!
    Er war also gezwungen, aufzugeben und seine Ohnmacht einzugestehen!
    Als der Direktor von diesem Ergebnis erfuhr, war er ziemlich enttäuscht, und man beschloß, es mit dem jungen Mann beim Schauspiel zu versuchen; vielleicht würde er dort etwas beitragen können!
    Zwei Wochen, nachdem Michel Dufrénoy beim
Großen Dramatischen Depot
angefangen hatte, wechselte er von der Abteilung Komödie zur Abteilung Schauspiel.
    Diese umfaßte das große historische Schauspiel und das moderne Schauspiel:
    Das erste bestand aus zwei völlig unterschiedlichen historischen Abteilungen: einer, in der die wirkliche, ernstzunehmende Geschichte Wort für Wort bei den guten Autoren abgeschrieben wurde; und einer anderen, in der die Geschichte auf schändlichste Weise verdreht und entstellt wurde, getreu dem Grundsatz eines großen Dramatikers aus dem 19. Jahrhundert:
    Man muß die Geschichte vergewaltigen, um ihr ein Kind zu machen.
    Und man machte ihr eines nach dem anderen, die allesamt keinerlei Ähnlichkeit mit ihrer Mutter hatten!
    Die wichtigsten Fachleute beim historischen Schauspiel waren die Beamten, die für die Knalleffekte und vor allem für die vierten Akte verantwortlich waren; man lieferte ihnen das allenfalls grob behauene Werk, und sie hackten verbissen daran herum; der für die große Tirade, auch Tirade
der vornehmen
Damen
genannt, zuständige Angestellte hatte ebenfalls eine gehobene Position in der Geschäftsleitung inne.
    Das moderne Schauspiel umfaßte das Schauspiel im schwarzen Frack und das Schauspiel im Arbeitskittel; zuweilen verschmolzen diese beiden Gattungen miteinander, aber die Geschäftsleitung sah diese Mesalliance nicht gerne; das warf die

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