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Paris im 20. Jahrhundert

Paris im 20. Jahrhundert

Titel: Paris im 20. Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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zurückkommen.«
    »Viel Glück«, sagte Onkel Huguenin und streckte Quinsonnas, der sich erhob, die Hand entgegen, »ich danke Ihnen für die Freundschaft, die Sie Michel entgegenbringen.«
    »Wenn der Junge mitkommen will«, antwortete der Pianist, »dann besorge ich ihm sogleich sein Empfehlungsschreiben.«
    »Mit Vergnügen«, meinte der junge Mann. »Adieu, mein lieber Onkel.«
    »Adieu, mein Sohn.«
    »Auf Wiedersehen, Monsieur Huguenin«, sagte der Pianist.
    »Auf Wiedersehen, Monsieur Quinsonnas«, sagte der gute Alte, »und möge das Glück Ihnen lächeln.«
    »Lächeln«, antwortete Quinsonnas; »mehr als das, Monsieur Huguenin, ich will, daß es mir laut ins Gesicht lacht.«
Fußnoten
    1 Harmlos, einfältig, naiv.
     

Vierzehntes Kapitel
Das Große Dramatische Depot
    In jener Zeit, in der alles zentralisiert wurde, das Denken genauso wie die mechanische Kraft, lag es natürlich nahe, ein
Dramatisches Depot
zu schaffen; praktische und geschäftige Männer wurden vorstellig und bekamen im Jahre 1903 das Recht zur Gründung dieser bedeutenden Gesellschaft zugesprochen.
    Doch zwanzig Jahre später ging sie in die Hände der Regierung über und wurde einem Generaldirektor und Staatsrat unterstellt.
    Die fünfzig Theater der Hauptstadt versorgten sich hier mit Stücken aller Art; einige waren vorfabriziert, andere wurden auf Bestellung angefertigt, dieses einem bestimmten Schauspieler zuliebe, jenes gemäß einer bestimmten Idee.
    Angesichts dieser neuen Sachlage verschwand die Zensur naturgemäß, und ihre emblematischen Scheren rosteten in den hintersten Schubladen vor sich hin; sie waren übrigens durch den starken Gebrauch ziemlich schartig geworden, die Regierung sparte sich jedoch die Ausgabe, sie schleifen zu lassen.
    Die Direktoren der Theater in Paris und in der Provinz waren Staatsbeamte, wurden je nach Alter und Verdiensten besoldet, pensioniert, in den Ruhestand versetzt und mit Orden ausgezeichnet.
    Die Schauspieler bezogen Geld aus der Staatskasse, ohne bereits Angestellte der Regierung zu sein; die Vorurteile früherer Zeiten ihnen gegenüber schwanden von Tag zu Tag, und ihr Metier zählte zu den angesehenen Berufen; man führte sie mehr und mehr in die Salonstücke ein; sie teilten sich mit den geladenen Gästen die Rollen und gehörten schließlich selbst zur guten Gesellschaft; da gab es vornehme Damen, die vornehmen Schauspielerinnen das Stichwort gaben und in manchen Rollen zu ihnen sagten:
    »Ihr Wert ist höher als meiner, Madame, die Tugend leuchtet auf Ihrer Stirn; ich! ich bin nur eine elende Kurtisane …«
    Und andere Liebenswürdigkeiten.
    Es gab sogar einen wohlhabenden Gesellschafter der Comédie-Française, der in seinem Haus von den Söhnen aus bester Familie intime Stücke aufführen ließ.
    Das alles verschaffte dem Beruf des Schauspielers eine besondere Geltung.
    Die Gründung des
Großen Dramatischen Depots
brachte den lärmenden Verein der Autoren zum Verschwinden; die Angestellten der Gesellschaft bezogen ihre, übrigens ziemlich hohen, monatlichen Gehälter, und der Staat kassierte die Einnahmen.
    Auf diese Weise war ihm die oberste Leitung der dramatischen Literatur unterstellt. Wenn das
Große Depot
auch keine Meisterstücke hervorbrachte, so belustigte es doch zumindest die gefügigen Volksscharen durch friedliche Werke; die alten Autoren wurden nicht mehr aufgeführt; zuweilen und nur ausnahmsweise wurde ein Molière im Palais-Royal gespielt, mit Couplets und Possen der Herren Komödianten; doch Hugo, Dumas, Ponsard, Augier, Scribe, Sardou, Barrière, Meurice, Vacquerie waren zuhauf entfernt worden; sie hatten einst ihr Talent ein wenig mißbraucht, um das Jahrhundert mitzureißen; in einer wohlorganisierten Gesellschaft darf das Jahrhundert aber höchstens dahinschreiten, nicht laufen; und dieses Gespann hatte Beine und Lungen wie ein Hirsch, was eine gewisse Gefahr in sich barg.
    Alles verlief nun also in geregelten Bahnen, wie es sich für zivilisierte Leute gehört; die beamteten Autoren lebten gut und arbeiteten nicht bis zur Erschöpfung; keine Dichter-Bohemiens mehr, keine notleidenden Genies, die ewig gegen die Ordnung der Dinge aufzubegehren schienen; hätte man also über diese Organisation klagen können, welche die Persönlichkeit der Menschen vernichtete und dem Publikum die für seine Bedürfnisse notwendige Menge Literatur lieferte?
    Hin und wieder versuchte ein armer Teufel, der in seinem Innersten das heilige Feuer spürte, den Durchbruch zu schaffen;

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