Paris ist eine Messe wert
nicht, worauf Navarra denn hinauswollte, nachdem er die Pfote erst nach einer Stadt an der Loire ausgestreckt hatte, dann zurückwich, dann wieder danach langte und abermals verzichtete.
»Der König«, sagte Rosny, »schlägt Navarra jetzt Ponts de Cé vor, eine kleine Ortschaft an der Loire, zwei Meilen von Angers entfernt.«
»Dann ist es ja gut.«
»Nichts ist gut. Ponts de Cé ist ein dürftig befestigter Burgflecken. Und viel zu nahe bei Angers. Offen gestanden denke ich, zu dieser schlechten Wahl haben Navarras Feinde am Hof geraten.«
»Also lehnt Navarra ab.«
»Navarra kann gar nicht anders, als anzunehmen«, sagte Rosny, »sonst heißt es bei seinen Feinden am Hof, er sei wie Guise und fordere immer mehr, als man ihm geben will.«
Worauf ein Schweigen eintrat, das ich getrost bestehen ließ, denn ich kannte meinen Mann und spürte, er würde, auch ohne daß ich fragte, die Katze aus dem Sack lassen. Und Rosny, der spürte, daß ich dies spürte, lachte plötzlich.
»Siorac«, sagte er, »verstehe ich recht, daß Ihr mich fragt, was Navarra nun will?«
»Ihr versteht mich recht«, erwiderte ich lachend. »Was will er?«
»Saumur«, sagte Rosny, ohne mit einer Wimper zu zucken.
»Hoho!« rief ich, »das ist ein Brocken! Diese Stadt wird der König nicht hergeben wollen, weil ihm dann im Zentrum nur noch Tours, Blois und Beaugency bleiben. Immerhin hat Matignon ihm Orléans zurückgewonnen, d’Ornano die Dauphiné und Epernon Angoulême, aber das sind die traurigen Reste eines großen Reiches. Alles übrige beherrscht die Liga.«
|22| »Worauf es ankommt«, sagte Rosny ernst, »in der gefährlichen Lage, in der sich der König von Frankreich befindet, ist doch nicht, wie viele Städte er noch hat, sondern wie stark er sie gegen Mayenne halten kann. Wenn Navarra Saumur besetzen würde, eine gut befestigte Stadt an der Loire, wäre er nur siebzehn Meilen von Tours entfernt, wo sich der König aufhält, das heißt, seine Armee könnte dem König schnell Hilfe leisten.«
»Ein guter Gedanke«, sagte ich nach kurzer Überlegung. »Ihr wollt also, daß ich zum König gehe und ihn bitte, Navarra Saumur zu geben?«
»Ha! Bewahre, nein!« rief Rosny und riß die Arme hoch. »Das hieße, unseren Feinden am Hof in die Hände zu spielen und das Mißtrauen des Königs zu erregen, der wegen all der erlittenen Rückschläge schon argwöhnisch genug ist.«
»Was dann?«
»List gebrauchen«, sagte Rosny.
Und nun setzte er mir Navarras Plan auseinander. Und um den zu verstehen, müssen Sie, schöne Leserin, wissen, daß die Großen des Reiches es sich in diesen wirren Zeiten angewöhnt hatten, vom König Geld zu verlangen, wenn er eine Stadt, die er ihnen anvertraut hatte, zurückhaben wollte: ein Mißbrauch, den die Güte und übergroße Freigebigkeit des Königs zunächst zugelassen hatte und der sich infolge der Schwäche seiner Armeen dann immer fortsetzte. Wenn also der König über sein Eigentum neu verfügen wollte, war er gezwungen, es zurückzukaufen.
Das wußte Navarra und sandte drei Emissäre aus: einen zum König, um ihm zu sagen, daß er Ponts de Cé in aller Dankbarkeit und Ergebung annehme; den zweiten zu Cossein, der in Ponts de Cé befehligte, um ihm einzureden, er solle vom König einen sehr hohen Preis fordern, den ihm dieser in seiner überaus kritischen Lage nicht abschlagen könne. Den dritten – und zwar keinen anderen als mich – zu Lessart, der in Saumur das Sagen hatte, um ihm zu raten, er möge von Heinrich III. eine nur bescheidene Summe verlangen, weil die königlichen Kassen leer seien, dafür zahle ihm Navarra sofort viertausend Ecus.
Dieser gewiefte Plan gelang aufs beste. Cossein, der größte Raffhals der Schöpfung, verlangte für Ponts de Cé hunderttausend Ecus, der König konnte sie nicht bezahlen, weil er sie |23| nicht hatte, und bedauerte, Navarra nicht zufriedenstellen zu können. Da traf ein Sendschreiben von Lessart ein, der ihm Saumur für sechstausend Ecus anbot. Der Preis war so bescheiden, daß Heinrich III. annahm.
Der gierige Cossein blieb auf seinem lausigen Ponts de Cé sitzen. Lessart kassierte mit der Rechten und der Linken. Der König war froh, billig davonzukommen. Und Navarra erhielt Saumur.
Und Sie, schöne Leserin, die Sie wohl staunen werden, daß Männer, die Ihr liebenswertes Geschlecht nur zu gerne beschuldigen, listig, hinterhältig und verschlagen zu sein, bei einer Gelegenheit wie dieser zeigten, zu welchen Ausgefuchstheiten sie imstande
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