Paris - Stadt der Sehnsucht
gedacht, formelle Kleidung auf die Liste für James zu setzen? Oder hatten Sie vor, in diesem Aufzug zu fahren?“
Erst jetzt wurde Polly bewusst, dass sie abgewetzte Jeans und einen selbst gestrickten Pullover in allen Regenbogenfarben trug.
„Wenn Sie meine Firma vertreten wollen, erwarte ich, dass Sie angemessen aussehen. Mit Partykleidung im Büro ist jetzt Schluss. Erst recht bei einem Meeting mit einem Franzosen. Ein Mann wie Gérard Bonnel hat Ansprüche! Ziehen Sie sich niveauvoll und elegant an!“
„Ach, war Ihr Team niveauvoll und elegant gekleidet, als es gegen uns verloren hat?“, konnte Polly sich nicht verkneifen. Sie lächelte kühl. „Sie sind wirklich sehr … traditionell, Damon. Oder könnte man schon sagen, altmodisch? Vielleicht wollte der Kunde etwas Frisches? Ich erinnere mich, dass er mehrfach gesagt hat, wie begeistert er von unserer Originalität und Individualität wäre.“
„Ich glaube nicht, dass er dabei von Ihrem Aussehen geredet hat.“
„Vielleicht hat er ja eine Vorliebe für Flamingos. Wenn Sie mich jetzt allein lassen würden, kann ich mich umziehen. Außerdem muss ich noch einige Anrufe erledigen. Ich komme zu Ihnen, wenn ich fertig bin. Und ziehen Sie sich in der Zwischenzeit etwas Anständiges an! Ich werde Sie ganz bestimmt nicht in Bademantel und Pyjama mit nach Paris nehmen!“
„Das ist das falsche Hotel! Ich habe selbst gebucht!“ Polly erinnerte sich, wie sie nach dem billigsten Angebot gesucht hatte. Schon auf den Bildern im Internet hatte das Hotel schäbig und heruntergekommen gewirkt.
„Kommen Sie schon!“ Damon zog Polly mit sich.
Staunend sah sie sich in der eleganten Hotelhalle um. Nachdem sie Damons Flugzeug gesehen hatte, war sie der Meinung gewesen, nichts könnte sie jetzt noch beeindrucken, aber offenbar hatte sie sich geirrt.
Poliertes Messing, Glas und Marmor glänzten um die Wette, und jeder Gast, der durch die mächtige Drehtür eintrat, sah wie ein Multimillionär aus. Unwillkürlich richtete Polly sich zu ihrer ganzen Größe auf und versuchte auszusehen, als würde sie dazugehören.
Sie zerrte an Damons Ärmel. „Lassen Sie uns gehen! Das ist das falsche Hotel!“
Damon schien sie gar nicht zu hören. Während er zielstrebig auf die Rezeption zuging, bemerkte Polly, wie viel Aufmerksamkeit er erregte.
Allein durch seine Anwesenheit schien er den ganzen Raum in Besitz zu nehmen. Seine Ausstrahlung ließ die Menschen bei seinem Anblick stoppen und ein zweites Mal hinschauen. Uniformen wurden zurechtgerückt, und die junge Frau hinter der Theke sah ihm mit einem Lächeln entgegen, als wäre Damons Ankunft das beste Ereignis des Tages.
Polly war es gewohnt, in billigen Hotels zu wohnen. Hinter der Rezeption – wenn es überhaupt eine gab – saßen mürrische Angestellte, die nicht im Traum daran dachten, ihren Koffer endlose Treppen hinauf in muffige Zimmer zu tragen.
Damon schien gar nicht zu bemerken, wie sehr sich das Personal um ihn bemühte, sondern nahm die Aufmerksamkeiten mit seiner üblichen Arroganz hin. Mittlerweile war Polly ernsthaft besorgt. Offenbar hatte Damon vor hierzubleiben.
„Ich kann mir hier kein Zimmer leisten“, raunte sie ihm zu.
„Ab jetzt überlassen Sie die finanziellen Angelegenheiten mir. Konzentrieren Sie sich lieber auf die kreative Seite Ihres Jobs. Zumindest davon verstehen Sie offenbar etwas. Ich habe uns eine Etage hier im Hotel gemietet.“
Eine Etage? War er etwa größenwahnsinnig? „Halt! Warten Sie eine Minute!“ Polly versuchte, mit ihm Schritt zu halten, während er mit großen Schritten das Foyer in Richtung Aufzug durchquerte. „Ich kann den finanziellen Aspekt nicht einfach beiseitelassen. Auch wenn Sie sich diesen Luxus leisten können, würde dies das Budget unserer Agentur sprengen.“
„Sie reden doch immer von Teamwork. Das hier ist Teamwork. Jeder von uns tut das, was er am besten kann. Kritzeln Sie weiter in Ihrem pinkfarbenen Heftchen herum, und überlassen Sie es mir, mich um das Geld zu kümmern.“ Damon betrat den Fahrstuhl.
„Ja, aber …“ Polly wollte Damon folgen, als ihr Telefon klingelte. Sie blieb vor dem Aufzug stehen. „Warten Sie!“, sagte sie zu Damon und nahm den Anruf an. „Bonjour Gérard, ça va? Oui … d’ accord …“
Damon lauschte fassungslos Pollys akzentfreiem Französisch. Selbst als sie ihr Gespräch beendet hatte, war ihm seine Überraschung noch anzusehen.
„Tut mir leid, aber ich konnte Gérard nicht warten lassen“,
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