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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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anaklitische Depression nennt. Anfangs schreien sie noch; später verstummen sie oder wimmern nur noch leise. Sie liegen apathisch da, trinken nicht mehr und sterben, wenn nicht medizinische Hilfe eingreift. Ihr Zustand entspricht ziemlich genau dem der Liebeskranken in den Berichten der antiken Ärzte.
    So wundert es uns wenig, wenn Eltern, die ihre Kinder verhungern lassen, später behaupten, diese seien still gewesen und hätten gar nichts essen wollen. Es ist eine gut begründete Vermutung, dass die starke Zunahme der Depressionen in den hoch entwickelten Gesellschaften damit zusammenhängt, dass sehr viel mehr Kinder in einem freudlosen Klima der Verpflichtung aufwachsen, körperlich versorgt, in ihrem Verhalten überwacht, eine Investition in die Zukunft. Statt sich zu freuen, dass ihr Nachwuchs gesund aus der Schule kommt und sich hungrig dem Mittagessen zuwendet, wird er mit Fragen drangsaliert, wie es denn gewesen ist. Denn nichts ist so gut, dass man es nicht verbessern muss, und ein Kind am allerwenigsten.
    Anaklinein heißt anlehnen, zurücklehnen. Das Kind wird depressiv, weil es keine Mutter gibt, an die es sich anlehnen, mit deren Wohlwollen es verschmelzen kann. Im Neuen Testament wird anaklinein für das Verhalten der Gäste verwendet, die es sich bei einer Einladung am Tische bequem machen, indem sie sich zurücklehnen.
    Die anaklitischen Depressionen der Kinder stehen für eine
Liebeskrankheit des Elternteils, der sie versorgen soll. 18 In normalen Liebesbeziehungen festigt sich die Bindung durch Austausch. Wenn unter der Last eines hinzukommenden Dritten dieser Austausch gestört wird, müsste der beim Kind verbliebene Elternteil dem Kind weiterhin das geben, was er vom einstigen Partner nicht mehr bekommt. Personen mit einer traumatischen Verunsicherung ihres Selbstgefühls sind dazu nicht in der Lage. Sie beneiden das Kind um die Fürsorge, die sie selbst nicht erhalten, und verweigern ihm eine Liebe, die ihnen selbst mangelt.
    Solches Verhalten wirkt auf Außenstehende gestört. Aber es lässt sich nicht willkürlich abstellen, sondern verstärkt sich auch gegen bewusste Absichten, wenn traumatische Erschütterungen abgewehrt werden müssen. Seelische Traumatisierungen verletzen nervöse Strukturen, die älter sind als das reflektierende Bewusstsein. Nur unter günstigen Entwicklungsbedingungen entsteht die Fähigkeit des reifen Organismus, aus Kränkungen zu lernen. Unter ungünstigen wecken sie die Sehnsucht nach einer heilenden Welt, die enttäuscht werden wird – ein neues Trauma, das die Ansprüche an diese heilende Welt nicht mäßigt, sondern steigert.
    Wenn ein Mensch seelisch schwer verletzt wird, kann er sich nicht mehr darauf einstellen, dass die Personen, von denen er sich abhängig fühlt, anders sind als er sie bräuchte. Charakteristisch für die Überlastung der Kränkungsverarbeitung ist eine gleichzeitige Aktivierung von Wut und Angst, verhaltensnäher: von Angriff und Flucht.
    Wenn wir uns das Leben der steinzeitlichen Sammlerinnen und Jäger vorstellen, hat diese Reaktion ihren Sinn. Angesichts
eines starken, nicht vertrauten Reizes antwortet ein wehrhaftes Säugetier mit Aggressions- und Fluchtbereitschaft. In Sekundenschnelle muss sich klären, ob es besser ist, die plötzliche Bewegung im Gebüsch als gefährlichen Feind oder als begehrte Beute zu deuten. Soll ich die Giftschlange erschlagen oder vor ihr fliehen? Soll ich mich vor dem sich nähernden Menschen verbergen oder ihm entgegentreten, weil wir gemeinsam einen besseren Braten erbeuten können als jeder für sich?
    Wenn eine Traumatisierung die Kampf-Flucht-Reaktion schneller und heftiger auslöst, ecken die Betroffenen an und werden daher ihrer Umwelt nicht wieder sicher. Das setzt sich in Streit-Ehen fort, wo ein gekränkter Partner gerade in dem Augenblick zurückschlägt, in dem sein Gegenüber erschöpft um Frieden bitten möchte.

    Traumatisierte haben ein besonders hohes Bedürfnis nach einer genauen Erfüllung ihrer Erwartungen. Es fällt ihnen schwer, kleine Kränkungen wegzustecken, um die Eskalation in große Kränkungen zu vermeiden. Es gibt in ihrer Welt keine harmlosen Abweichungen vom Ideal, keinen Flecken auf einer blütenweißen Weste, der ignoriert werden darf. Die kleine Kränkung wird mit ebenso maximalem Aufwand bekämpft wie die große.
    Versagte Wünsche wecken bei gesunden Personen Intelligenz und Kreativität, um sie sich vielleicht doch noch zu erfüllen; bei traumatisierten Wut und

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