Partnerschaft und Babykrise
Angst, weil sie die Situation als Paradigma erleben, als Hinweis darauf, dass sie
eigentlich keinen Platz haben auf dieser Welt und zwischen ihren Bewohnern. In den zivilisierten Ländern führen allzu heftige schnelle Affekte zu Strategien der Vermeidung. Die Folgen sind Rückzug, Verweigerung von Kontakt, Schuld-und Schamgefühle, Verstummen und Versteinern.
Depressionen blockieren Gewaltäußerungen, indem sie diese gegen das eigene Ich richten. Wenn dieses Ich an allem schuld ist, kann die primitive Wut innerhalb eines geschlossenen Systems kontrolliert werden, auf Kosten der Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit der Person, die zu solchen Hilfsmitteln greift.
Hier wird auch der Zusammenhang zwischen der Symbiose und der behinderten Kränkungsverarbeitung deutlicher. Die Symbiose beruht auf der Illusion einer kränkungsfreien Verschmelzung, welche das Ich vor traumatischen Verunsicherungen und Ängsten schützt. Daher können auch die Grenzen des Partners oder der Partnerin nicht wahrgenommen werden.
Seit zehn Jahren versucht die 57-jährige Carola ihre Verstimmungen mit Antidepressiva in Schach zu halten. Die Depressionen haben begonnen, als das Geschäft insolvent wurde, das sie gemeinsam mit ihrem Partner aufgebaut hatte. Damals gelang es Carola, den Familienbetrieb vor dem Konkurs zu retten, indem sie ihren Vater dazu brachte, das überschuldete Unternehmen zu kaufen. Sie führte es zusammen mit ihm; ihr Ehemann wurde angestellt, die sexuelle Beziehung erlosch in den Enttäuschungen und vielleicht auch unter dem Einfluss der erneuten Nähe zu dem Vater.
Jetzt sucht Carola psychologische Hilfe. Weinend erzählt sie, dass ihr Mann Erich sie seit Jahren mit einer anderen Frau betrügt. Nachdem ihr gemeinsamer Sohn ausgezogen sei, habe sie gehofft, sie hätten jetzt wieder mehr Zeit füreinander. Erich hätte sie ein Interesse für andere Frauen nie zugetraut, da doch auch sie selbst auch nie an so etwas gedacht habe.
Carolas Symbiose mit Erich begann, als sie sich mit 15 Jahren aus der ständigen Überlastung durch ihre chronisch kranke, ansprüchliche Mutter löste. Erich kam diesen Wünschen entgegen, weil auch er in seiner Männlichkeit traumatisiert war. Er hatte sich mit 18 Jahren von einem gewalttätigen Vater getrennt und diesen angezeigt.
Carola fühlte sich durch Erich gestärkt und bemerkte nicht, wie bedürftig und ängstlich er war. Sie heirateten, als er sein Studium abgeschlossen hatte und das erste Kind unterwegs war. Erich machte sich als Kaufmann selbstständig. Er arbeitete rastlos, um das Geschäft aufzubauen; Carola half mit, so gut sie konnte und gab ihre eigene Praxis als Krankengymnastin auf. Sie fühlte sich in der gemeinsamen Firma bald vernachlässigt, konnte darüber aber mit Erich nicht sprechen. Ihr Sohn wurde ihr ein und alles. Er erbte die symbiotische Beziehung. Erich fühlte sich von Carola gegenüber seinem Sohn zurückgestellt. Im Vater-Sohn-Kontakt belebten sich alte Ängste, die ihn hemmten und daran hinderten, Nähe zu dem Jungen zu finden. Er konnte darüber so wenig mit Carola sprechen wie sie mit ihm. Beide verschoben die Auseinandersetzung auf später.
Solche Entwicklungen zeigen, wie die Verletzung des kindlichen Selbstgefühls durch traumatisierte Eltern sozusagen
tradiert wird. Verletzte Kinder binden sich später symbiotisch an ihre Partner. So können sie die eigenen Kinder nicht in ihre Beziehung einbinden. Da es den Erwachsenen beschämt, bedürftig und abhängig wie ein Kind zu sein, versuchen Symbiosepartner, sich diese kindlichen Wünsche »von den Augen abzulesen«.
Traumatisierte Eltern kommunizieren nicht über ihre Wünsche und Enttäuschungen. Ängste hemmen sie, sich mit den damit verknüpften Konflikten zu beschäftigen. Daher können sie entscheidende Qualitäten des reifen Narzissmus nicht entwickeln. Dieser beruht nicht auf einer Ausgrenzung oder kompletten Überwindung der kindlichen Bestätigungsbedürfnisse, sondern auf ihrer Integration.
Unreife Erwachsene geben sich souverän, bis sie an einer Depression erkranken. Im reifen Narzissmus koexistieren kindliche Allmachts-oder Verschmelzungsphantasie und erwachsener Realitätssinn. Sie durchdringen und ergänzen sich in Kreativität, in Humor und Ironie. Die Erwachsenen akzeptieren, dass die menschlichen Versuche, sich reif zu verhalten, immer wieder scheitern, aber auch immer wieder erneuert werden dürfen. Sie haben sich damit abgefunden und freuen sich sogar manchmal daran, dass der
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