Partnerschaft und Babykrise
Zauber der Symbiose benötigt, der kann ohne ihn weder lieben noch sich lösen, auch wenn er weiß, dass es klüger wäre, das zu tun. In abergläubischen Zeiten erklärten die Menschen solche Vorgänge durch Hexerei, durch einen Liebestrank oder anderen Zauber.
So ist der Rat, um einer gelingenden Elternschaft willen die romantische Verliebtheit durch eine alltagspraktische Liebe abzulösen, leicht gegeben und schwer getan. Verliebtheit ist nicht ein Kleid, das sich nach der Hochzeit zusammenfalten und in den Schrank legen lässt, um künftig in Kittelschürze oder Blaumann den Alltag anzupacken. Sie klebt zäh, als Versprechen, in unserem seelischen System und definiert Mindestforderungen: »Du weißt doch genau, dass … und wenn du das ignorierst, dann liebst du mich nicht richtig!«
Allerdings ist in dem Kind auch ein Mitspieler aufgetreten,
der die Situation entlasten und erleichtern kann. Denn das Kind hat von allen Beteiligten den sichersten Abstand zu romantischen Flausen und semantischen Fixierungen. Es lebt von Augenblick zu Augenblick. Wer es genau beobachtet, kann von ihm lernen, sich grundsätzlich keine kleine Chance für Genuss und Entspannung verderben zu lassen.
Gut funktionierende Familien arbeiten nicht weitgehend reibungslos wie ein Uhrwerk. Ihr Innenleben charakterisiert ein emotionales Klima, das sich erhaben als fehlerfreundlich, geprägt von Toleranz und Humor beschreiben lässt, vulgär und alltagsnah aber als Durchwursteln von einer Krise zur nächsten.
Ihre Liebe zu den Kindern ermöglicht modernen Eltern einen Reifungsprozess, den eine Psychoanalyse für jene, die ihn auf diese schlichte Weise nicht haben können, umständlicher und manchmal auch unvollkommener leisten wird. Das Kind, mit dem ein Erwachsener leben will, ist als Lehrmeister in der Kränkungsverarbeitung dem therapeutischen Experten in der Regel überlegen. Allerdings gelingt diese Lehrzeit nur dann, wenn sich die Partner einigermaßen von naiven kindlichen und symbiotischen Ansprüchen distanzieren können. Nur dann vermag jeder für sich ungestört aus der Begegnung mit dem Kind das Nötige zu lernen.
Ich habe versucht, mit Begriffspaaren wie Semantik/Ökonomie und Romantik/Realität zu verdeutlichen, wie in der Ehekrise durch das Kind die Fähigkeiten der Eltern gefordert
sind, sich an eine Situation anzupassen, die unerwartete Forderungen stellt. Diese Anpassung gelingt umso schlechter, je stärker sich bei den Erwachsenen perfektionistische Erwartungen ausprägen, wie ihr Leben und ihre Beziehungen auszusehen haben.
Der Gegensatz von Semantik und Ökonomie umschreibt die rechthaberische Dimension, die in Partnerkonflikten so häufig dominiert. Wenn wir uns vorstellen, dass an einem Abend Eltern und Kinder gesund und gesättigt in warmen Betten liegen, ist unter ökonomischen Gesichtspunkten etwas geleistet, was auf gar keinen Fall verachtet werden darf. Unter dem Gesichtspunkt des Perfektionismus ist hingegen all das wertlos, »wenn die Beziehung nicht stimmt«.
Während ein ökonomisches Vorgehen Austausch grundsätzlich besser findet als dessen Verweigerung, ist es für das semantische sehr charakteristisch, den Austausch zu verweigern, zu verstummen, um den Partner zu zwingen, sich aus der aktuell ihm zugeschriebenen menschlichen Unmöglichkeit zur Möglichkeit 24 zurückzuverwandeln. Wenn Eltern nicht mehr miteinander sprechen und die Kinder mit Botschaften losschicken, ist das ein Zeichen für diesen Zustand. Wenn er länger als einige Stunden andauert, ist die Beziehung in einer gefährlichen Krise.
Aus der Sicht des Perfektionisten ist die ökonomische Lösung von Familienproblemen nach dem Modell des größten Nutzens und des kleinsten Schadens erbärmlich. Entweder ist es eine gute Beziehung, dann stimmt die Partnerschaft »wirklich« und erfüllt den Merkspruch, der vor der Hochzeit aus der Bibel gewählt wurde – oder die Beziehung ist
schlecht, der Partner bekommt kein gutes Wort, bis er den Zustand wiederhergestellt hat, den er doch versprach.
Je weniger Humor die Partner entwickeln können, desto überzeugter sind sie auch, dass der gepriesene »gute« Zustand der Beziehung eine in kritischer Prüfung gefundene Wahrheit ist. Es ist ihre persönliche Wahrheit, die jedoch selbstverständlich von allen Rechtgläubigen geteilt würde. Solange ein Paar diese perfektionistische Auffassung zu zweit kultiviert, fällt die Störung der Krisen- und Kränkungsverarbeitung oft nicht auf.
Manchmal wird sie
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