Party Prinzessin
Harmony in Indiana, wo ich mit meiner Mutter mal war, als wir bei ihren Eltern in Versailles (also dem in Indiana) zu Besuch waren und sie sich von ihnen erholen wollte.
New Harmony wurde von ein paar Leuten gegründet, die in der perfekten Stadt wohnen wollten, mit lauter hübschen Häuschen und hübschen Straßen und hübschen Schulen und so weiter. Ich weiß, das klingt ekelhaft, aber das ist es nicht. New Harmony ist sogar ziemlich cool.
Eine dystopische Gesellschaft ist dagegen GANZ UND GAR NICHT cool. Es gibt dort weder hübsche Gebäude noch hübsche Straßen oder hübsche Schulen. Eigentlich sieht es da so aus wie in der Lower East Side von New York, bevor dort die ganzen Tapas-Bars eröffnet wurden und die reichen Yuppies dorthin gezogen sind, die für ihre Wohnungen dreitausend Dollar im Monat hinblättern. Also ein Ort, an dem es eigentlich nur Tankstellen und Sexshops gibt, und dazwischen stehen ein paar Crackdealer rum.
Die Helden der dystopischen Filme, die wir heute gesehen haben, leben eigentlich alle in solchen Gesellschaften. »Der Omega Mann«: Eine dystopische Gesellschaft, die entstand, nachdem eine bakteriologische Katastrophe einen Großteil der Menschheit dahingerafft hat und fast alle (außer Charlton Heston und ein paar andere) als degenerierte Zombies zurückließ.
»Flucht ins 23. Jahrhundert«: Eine vermeintlich utopische Gesellschaft, die sich als dystopisch entpuppt, als herauskommt, dass alle Menschen – um die Ernährung der Bevölkerung nach einem nuklearen Holocaust zu sichern – an ihrem dreißigsten Geburtstag exekutiert werden.
Gleich schauen wir noch »2001 – Odyssee im Weltraum«, aber ich glaube ehrlich gesagt, dass ich den nicht mehr aushalte. Erträglich wird das Ganze nur dadurch, dass ich mich auf der Couch an Michael ankuscheln kann.
Und dass wir uns küssen können, wenn gerade nichts passiert. Und dass ich während der gruseligen Szenen meinen Kopf an seine Brust schmiegen kann und er die Arme um mich schlingt und ich an seinem Hals riechen kann.
Obwohl das unter normalen Umständen mehr als wunderschön wäre, gibt es einen kleinen Störfaktor. Immer dann, wenn es zwischen mir und Michael richtig leidenschaftlich wird – also so leidenschaftlich, dass er sogar auf der Fernbedienung auf »Pause« drückt –, hören wir Lilly in ihrem Zimmer brüllen: »Ich verfluche dich, Albion! Du bist ein niederträchtiger Lump und das habe ich immer schon gewusst!« Es ist irgendwie schwierig, sich in den Armen seines Liebsten ganz der Leidenschaft hinzugeben, wenn man jemanden brüllen hört: »Du willst diese gemeine genovesische Schlampe zur Frau nehmen, wo du doch mich haben kannst, Albion? Pah!«
Vielleicht ist Michael deswegen gerade in die Küche gegangen, um noch Popcorn zu machen. Anscheinend ist »2001 – Odyssee im Weltraum« unsere einzige Chance, Lillys nicht gerade liebreizende Stimme zu übertönen, während sie mit Lars den Text lernt.
Obwohl… eigentlich hab ich mir ja vorgenommen, ab jetzt nicht mehr so viel zu lügen. Vielleicht sollte ich zugeben, dass es nicht nur Lillys unermüdliches Gekeife ist, das mich daran hindert, mich Michael ganz hinzugeben – seinen Küssen, meine ich. In Wahrheit lastet die Angst vor der Party so schwer auf meinen zarten Schultern, wie die fette Schlange, die Britney irgendwann bei den MTV Music Video Awards um den Hals getragen hat.
Das macht mich einfach fertig. Echt. Ich hab den Dip schon gemacht (einen aus einer Fertigmischung von Knorr mit Schalotten drin), damit Michael glaubt, ich würde mich auf morgen freuen.
Aber das tue ich nicht.
Wenigstens hab ich eine Strategie. Dank Lana weiß ich jetzt, was ich auf der Party zu tun hab: nämlich tanzen. Und ich weiß jetzt auch endlich, was ich anziehe. Einigermaßen jedenfalls. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich den Rock nicht vielleicht ein bisschen zu kurz abgeschnitten hab.
Wobei Lana wahrscheinlich sagen würde, dass es so etwas wie »zu kurz« gar nicht gibt.
Aaaaaaah, Michael ist mit Popcornnachschub zurück. Küsszeit!
Freitag, 6. März, Mitternacht
Ganz toll! Als ich von den Moscovitzens nach Hause kam, wartete Mom schon auf mich. (Wobei »auf mich warten« vielleicht nicht ganz der treffende Ausdruck ist. Sie saß vor dem Fernseher und guckte diese dreiteilige Doku über den Mann, der ein riesiges Muttermal im Gesicht hat, das noch nicht mal durch acht Operationen vollständig entfernt werden konnte. Und der Arme konnte noch nicht mal eine
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