Party Prinzessin
getan habe, was ich als Nächstes tat: nämlich mich auf die Zehenspitzen zu stellen und den Typen, der keinen Mais in seinem Chili mag, auf die Wange zu küssen. »Danke, JP!« JP sah extrem überrascht aus. »Wofür?«, fragte er. Und seine Stimme klang ein bisschen zittrig. »Ich hab doch nur gesagt, dass du mich nicht küssen musst, wenn du nicht willst.« »Eben«, sagte ich und drückte ihm die Hand. »Und des wegen hab ich dich geküsst.« Und dann stieg ich in die Limousine. Wo Lilly mich sofort mit Fragen bestürmte, weil wir sie ja gleich zu Hause absetzen mussten.
Lilly:
Was war das denn?
Ich:
Er hat gesagt, dass ich ihn nicht küssen muss.
Lilly:
Und wieso hast du’s dann gemacht? Ihn geküsst, meine ich.
Ich:
Weil ich das so süß von ihm fand.
Lilly:
O Gott. Du magst ihn.
Ich:
Nur als guten Freund.
Lilly:
Und seit wann küsst man seine guten Freunde? Boris hast du noch nie geküsst.
Ich:
Igitt. Hast du mitgekriegt, dass er gesagt hat, dass er an einer krankhaften Speichelüberproduktion leidet? Ich versteh nicht, wie Tina das aushält.
Lilly:
Was läuft da zwischen euch beiden, Mia? Zwischen dir und JP?
Ich:
Nichts. Ich hab’s dir doch gesagt. Wir sind bloß befreundet.
Und dann – ich weiß zwar genau, dass ich es nicht hätte ansprechen sollen, weil Lilly bald die traurigste Nachricht ihres Lebens erhalten wird, nämlich dass ihre Eltern sich trennen (falls sich irgendwer durchringt, es ihr zu sagen) – hab ich sie etwas gefragt. Ich war einfach so genervt von ihr, dass ich es mir nicht verkneifen konnte.
Ich:
Die Frage ist doch vielmehr, was läuft zwischen dir und JP?
Lilly:
Hallo? Ich bin schließlich nicht diejenige, die ihn geküsst hat. Oder sexy mit ihm getanzt hat. Ich finde ihn bloß einfach nett – als Freund. Genau wie du – ANGEBLICH.
Ich:
Und wieso nimmst du dann die Kurzgeschichte, die ich über ihn geschrieben hab, nicht aus der Zeitschrift? Du weißt doch genau, dass du damit nur seine Gefühle verletzt. Wenn du ihn wirklich mögen würdest, würdest du ihn ja wohl nicht verletzen wollen, oder?
Lilly:
Ich werde ihn nicht verletzen. Du verletzt ihn. Ich hab die Geschichte nicht geschrieben.
Mann. Wieso muss sie mir das immer wieder unter die Nase reiben?
Mittwoch, 10. März, Mitternacht, zu Hause
Keine Mails von Michael.
Auch keine Instant Message.
Mir ist klar, dass er im Moment eine Menge um die Ohren hat und nicht total auf mich und meine Bedürfnisse eingehen kann. Ich erwarte ja auch nicht, dass ich nach Hause komme und dort einen riesigen Rosenstrauß vorfinde, in dem eine Karte steckt, auf der Ich liebe dich steht.
Aber eine Nachricht auf dem AB, in der er mir versichert, dass wir noch zusammen sind, wäre schon nett gewesen. Tja. Pech gehabt. Ich kam nach Hause und alle lagen schon im Bett und schliefen. Aber das kenne ich ja inzwischen.
Als Schauspielerin, die sich mit Leib und Seele der Kunst verschrieben hat, hat man es echt nicht leicht. Jetzt weiß ich, wie Meryl Streep sich fühlt, wenn sie nach den Proben zu irgendeinem Film, mit dem sie den nächsten Oscar gewinnt, erschöpft in ihr Haus torkelt. Ich schwöre hiermit, dass ich nie mehr behaupten werde, die Schauspielerei sei ein einfacher Beruf.
Jedenfalls hab ich mich jetzt dazu entschlossen, Tinas Rat zu beherzigen und Michael in Ruhe zu lassen. So wie sie es mit Boris macht, wenn er einen neuen Bartok einübt.
Ich kann auch nicht behaupten, dass ich es Michael wirklich verüble, dass er mir keine Mails schreibt oder mich anruft, weil ich ganz offensichtlich nicht der geistig gefestigteste Mensch bin, den er kennt. Ich weiß ja selbst nicht, was ich mir dabei gedacht habe, als ich ihm unbedingt beweisen wollte, dass ich ein Partygirl bin, obwohl ich nun mal alles andere als ein Partygirl bin. Im Grunde genommen habe ich versucht, Michael zu manipulieren, und das ist nie gut. Außer man ist Grandmère oder Lana, die beide Meisterinnen in der Kunst der Manipulation sind – besonders in der Manipulation der Gesetze von Angebot und Nachfrage.
Aber das macht es noch lange nicht zu etwas Gutem.
Im Ernst, bloß weil man etwas tun KANN, heißt das noch lange nicht, dass man es auch tun SOLLTE.
Wie im Fall von meiner Kurzgeschichte zum Beispiel. Klar, ich kann schreiben.
Aber sollte ich mir deshalb das Recht herausnehmen, eine Geschichte zu schreiben, die von jemandem handelt, den es wirklich gibt und der die Geschichte dann vielleicht irgendwann später liest und den man dadurch verletzt?
Nein. Nur weil
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