Pas de deux
anfangen kann.«
Wir naschten die kleinen schwarzen Süßigkeiten, die auf dem Tisch lagen. Edith hatte sie aus Japan mitgebracht. Die Hunde hatten sich zu unseren Füßen ausgestreckt und räkelten sich im Gras. Sie wartete, bis der Tee lang genug gezogen hatte, dann füllte sie unsere Tassen.
»Mein armer Schatz, ich kenn mich in Literatur nicht besonders aus. Das ist sicher eine ziemliche Arbeit, und wie dem auch sei, sie hat sich bestimmt Mühe gegeben. Versetz dich mal in ihre Lage.«
»Hör mal, kann sein, daß mir in manchen Dingen der Mut fehlt, aber so sehr auch nicht. Sie hat sicher nicht erwartet, daß ich ihr irgendeinen Schmus erzähle. Ich habe ihr gesagt, was ich davon halte, weil ich nicht anders konnte. Mag sein, daß ihr Leben daran hängt, was weiß ich …«
»Pah! Ihr werdet euch beide nicht ändern. Ihr habt euch schon als Kinder gestritten! Wenn ich einen getröstet habe, mußte ich mich gleich um den andern kümmern.«
Edith war stinksauer, was genauer gesagt hieß, daß wir nicht mehr miteinander redeten und bumsten. Das war nicht das erste Mal, daß ich in einer solchen Situation steckte. Gewöhnlich bemühte ich mich, ein stoisches Verhalten an den Tag zu legen, und nach zwei, drei Tagen renkten sich die Dinge wieder ein. Ich fand, diesmal war es das mindeste, was man erwarten konnte, und wir würden schon gut dabei wegkommen. Ich verstand, daß sie Ruhe und Schweigen brauchte – und Enthaltsamkeit, wer weiß? –, um klarzusehen und zuzugeben, daß ich recht hatte. »Danach wird alles um so besser«, sagte ich mir, »es geht nichts über einen Schriftsteller, der mit dem richtigen Schwung wieder loslegt.«
Eines Morgens dann packte sie die Koffer. Seit drei Tagen ertrug ich geduldig mein Unglück, aber ich dachte, bald werde es mit meiner Achtung ein Ende haben. Ich hatte an jenem Morgen frei. Evelyne hatte nicht zu Hause übernachtet, und ich hatte Eléonore zur Schule gebracht – das passierte mitunter, wenn ich besonders guter Laune war oder wenn Edith und ich Krach hatten und uns aus dem Weg gehen wollten.
Als ich zurückkam, hing sie gerade über den offenen Schubladen. Sie warf mir einen kurzen Blick zu, ließ jedoch nicht von ihrer Tätigkeit ab. Sie machte keinen nervösen Eindruck, ihre Bewegungen waren ruhig und ihr Gesicht ausdruckslos. Wir waren seit zwanzig Jahren verheiratet. Wir hatten schon bei einigen denkwürdigen Auseinandersetzungen gedroht, einander zu verlassen, doch selbst im schlimmsten Fall waren wir nicht über die Hälfte des Gartens hinausgekommen. Was diesmal anders war und mich doch stutzig machte, das war, wie ruhig sie vorging, ohne die geringste Wut, ohne daß wir uns irgendwelche Gegenstände an den Kopf warfen.
»So, so«, schoß ich los, »ich brauche also bloß deine Werke zu kritisieren …«
»Um Literatur geht’s eigentlich weniger«, unterbrach sie mich. Dabei packte sie weiter ihre Sachen, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Sie warf einen Umschlag aufs Bett.
»Ein Abschiedsbrief?« fragte ich hämisch.
»Mach ihn auf. Du wirst schon sehen.«
Ich hatte ihn kaum in der Hand, da fügte sie hinzu:
»Ich mag das Wort nicht, Chlamydiae. Ich finde, auch wenn es nicht ganz dasselbe ist: Tripper klingt viel lustiger, meinst du nicht?«
Ich gab keine Antwort. Ich starrte auf den Brief des Labors.
»Nun denn, ich danke euch, dir und deiner Tussi …«
An meinem zehnten Geburtstag trank ich zum erstenmal Champagner. Da wir im gleichen Alter waren, hatte auch Edith ein Anrecht auf ein halbes Glas, Oli hingegen, der gerade erst acht geworden war, mußte sich damit begnügen, an dem Glas seines Vaters zu nippen, und schmollte eine Weile.
Das war am Tag vor der Generalprobe. Sie hatten den ganzen Nachmittag über geprobt, und über meinem Kuchen hing ein starker Schweißgeruch. Sie hatten ihn auf die Bühne gestellt. Ich war sehr stolz, daß sich mein Geburtstag im Scheinwerferlicht vor dem Hintergrund eines italienischen Palasts abspielte, und es gefiel mir auch, diese Frauen anzusehen, die unter ihren Trikots schwitzten und mich an sich drückten, um mich zu küssen. Sie waren alle ermattet und fröhlich, hocherfreut, daß sie dieses Glas auf meine Gesundheit trinken und neue Kräfte schöpfen konnten, indem sie meinen Kuchen verschlangen. Ich hatte meine Mutter gebeten, nicht zu warten: wenn sie sich erst abschminken, unter die Dusche springen und sich umziehen wollten – sie selbst war immer die letzte –, würde ich mir in
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