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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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die Hose machen. Ich hatte es ihr nicht zweimal sagen müssen.
    Es war Winter. Wir waren für ungefähr zehn Tage in der Lombardei, in der Nähe von Mailand, und danach wollten wir, glaube ich, nach Bern fahren, aber zu jener Zeit war es Edith, Oli und mir schnuppe, wo wir waren.
    Wir führten mehrere Abende lang Romeo und Julia auf, und einige Tänzer waren in Renaissancekostümen, mit Goldfäden und dem ganzen Pipapo, und sie zogen zum Gruß ihre befiederten Hüte. Ich war einigermaßen aufgekratzt, zumal es mir in dem Durcheinander gelungen war, mehr als den lächerlichen Fingerhut zu trinken, den man mir zugeteilt hatte. Ramona setzte sich ans Klavier, und einige begannen zu singen. Georges, der Vater von Edith und Oli, zog seine ewige Stepnummer ab und wurde ganz rot, und Madeleine, ihre Mutter, fiel vom Stuhl und verzichtete darauf, sich wieder zu erheben, sie lehnte sich einfach gegen den Brunnen, neben dem Mercutio sterben sollte.
    Später nahm Georges sie auf seine Arme und trug sie ins Hotel, das am Ende der Straße lag. Das endete oft so. Wenn sich Madeleine nicht mehr auf den Beinen halten konnte, brachte er sie ins Bett, und wir, die Kinder, durften gleich mit. »Ich glaube, Madeleine ist müde …« pflegte er zu sagen. »Es ist Zeit, ins Bett zu gehen.«
    Ich drückte laut – das heißt: halblaut tuschelnd – aus, was die beiden anderen leise dachten. »Ah! Die ist wirklich zum Heulen!« raunte ich ihnen zu, während ihr Vater vor uns hastig ausschritt und seinerseits schimpfte. Wir gingen dann in das Zimmer, das ich mit Ramona und meiner Mutter teilte, und er ließ uns unser Abendessen bringen, nachdem er sich um seine Frau gekümmert hatte. Er forderte uns auf, uns ruhig zu verhalten, dann zog er wieder los.
    Wenn Madeleine wundersamerweise durchhielt und man uns vergaß, gingen wir auf Entdeckungsreise. Nachts sahen diese Theater eins wie das andere aus. Sie waren uns ebenso vertraut wie unbekannt und voller Geheimnisse, so daß wir nie genug davon bekamen. Tagsüber hatten wir dort unseren Spaß, aber abends, das war etwas anderes, abends, das war nicht die gleiche Atmosphäre. Kaum wurde es dunkel, begannen unsere Augen zu leuchten. Die anderen arbeiteten bis in die Nacht, während wir unterwegs waren. Sie waren müde, nervös, lachten und weinten, schnauzten sich wegen jeder Lappalie an. Es war ständig etwas los.
    Wir schlichen uns überallhin. Wir sahen, wie sie tanzten, sich aufregten, sich schminkten. Wir aßen ihr Obst, bissen in ihre Brote. Wir hörten zu, wenn sie von ihren Liebesgeschichten redeten. Wir erlebten mit, wenn sie sich stritten, und wir versteckten uns, um ihre Umarmungen zu beobachten – in der verrückten Hoffnung, sie endlich einmal bumsen zu sehen, aber dieses Vergnügen hatten wir noch nicht gehabt.
    Wir machten eine Menge Sachen mit ihnen, wenn sie sich zwischen zwei Proben ausruhten. Sie hatten tagsüber meist nicht viel Zeit, und wenn, dann schleppten sie uns in irgendwelche Museen, wo wir von einem Kunstwerk zum andern rannten, aber nachts, wenn das Theater geschlossen war und uns gehörte, wenn sich Ramona allein ans Klavier setzte und die anderen der Reihe nach tanzten, fanden sich immer einige, die sich uns einen Moment widmeten und uns zum Beispiel zeigten, wie man Ballettschuhe näht, wie man einen Rücken oder ein Bein massiert, wie man mit dem Bauch atmet oder beim Kartenspiel mogelt oder wie man eine Schlinge macht, die sich von selbst zusammenzieht.
    Diese Augenblicke waren für uns das Größte auf Erden. Und es war der Abend meines Geburtstags. Und keiner von uns dreien war müde. Außerdem war dieses Zimmer häßlich und trostlos.
    Ich stieß meinen Teller zurück, ohne ihn überhaupt angerührt zu haben. Ich stand auf und schaute zum Fenster hinaus.
    »Wir sollten noch mal losgehn …« sagte ich.
    Edith wischte sich über die Lippen.
    »Wohin?« fragte Oli.
    Edith stellte sich neben mich. Am Ende der Straße war der finstere Block des Theaters zu erkennen.
    »Ich weiß, wie man da reinkommt …« flüsterte sie mir zu.
    Wir zogen unsere Jacken an. Ich half Oli, seinen Dufflecoat zuzuknöpfen, und auf Zehenspitzen schlichen wir hinaus.
    Als wir an dem Zimmer ihrer Mutter vorbeikamen, hörten wir ein Geräusch. Sie schlief noch nicht. Meiner Meinung nach war sie auf der Suche nach einem letzten Schluck, oder sie hatte ihr Bett nicht gefunden. Persönlich mochte ich sie nicht besonders, wenn auch ohne besonderen Grund. Sie redete nicht oft mit mir.

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