Pas de deux
lassen müssen, die Anflüge von Versuchung, die ich schweigend zu verarbeiten hätte, und ich fuhr dahin, ohne einen Ton zu sagen, durchquerte Rhode Island und warf ihr ab und an einen Blick im Rückspiegel zu, und dann wurde ich wegen Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten, und in meiner Seele kehrte wieder Frieden ein.
Am frühen Abend des nächsten Tages hatte William S. Collins, unser Richter und Nachbar, uns einen kurzen Besuch abgestattet. Nachdem er gegangen war – Giuletta verbrachte ihre übliche Stunde vor VH I oder MTV –, hatten Oli und ich eine recht scharfe Diskussion. Ich hatte entdeckt, daß sich Georges’ Beziehungen zu dem Richter nicht auf das schlichte freundschaftliche Verhältnis zwischen zwei Schwarmgeistern beschränkte. Rein zufällig – ich hatte es Oli überlassen, ihn zur Tür zu bringen, hatte mir jedoch ein Glas Wasser geholt, und das Küchenfenster lag zu dem Weg hin, auf dem sie standen – hatte ich gesehen, daß Oli ihm einen Scheck überreicht hatte.
Oli fragte mich, wie naiv ich eigentlich sei. Ob ich mir vorstellte, die großen Bühnen in aller Welt, auf denen sie tanzten, stünden dem Sinn-Fein-Ballett aus reiner Gefälligkeit offen. Dazu bedürfe es gewisser Beziehungen, gewisser Hilfestellungen, gewisser Nettigkeiten, die man einander erwies.
»So oder so ähnlich funktioniert doch die ganze Welt. Warum spielst du da den Einfaltspinsel?«
Ich hatte Oli fest angeschaut, um ihm eine schreckliche und finstere Geschichte ins Gedächtnis zu rufen. Dann hatte ich ihn über das Gespräch unterrichtet, das ich mit Collins geführt hatte über meine Scheidung und über die okkulten Mächte, deren er sich gerühmt hatte und an die ich, wie ich ihn kannte, gern glauben wollte.
»Was treibt der mit diesem Geld? Spendet er es dem Roten Kreuz?!«
Ein Schatten war auf Olis Gesicht gefallen, ohne auf den Stoff des Liegestuhls überzugreifen, was jede Vermutung, es könne sich um ein natürliches Phänomen handeln, ausschloß, so etwa das Aufkommen einer kleinen Wolke im schönsten Sonnenschein oder einen Schwan, der zum Nachbarteich davonflog.
Und so saßen wir immer noch da, als Eléonore erschien.
Ich wollte aufstehen, doch vor Verblüffung fiel ich auf meinen Stuhl zurück.
Giuletta schien entzückt. Sie beschloß sogar zum allerersten Mal, sich ums Essen zu kümmern, und Oli fuhr mit ihr in die Stadt. Eléonore blickte ihnen nach.
»Man sollte es nicht glauben, aber sie ist volljährig …«
»Machst du Witze?!« antwortete sie mir.
Wir stiegen über meine Treppe zum Strand hinab. Sie fand sie großartig. Ich schloß sie einen Moment in meine Arme, dann setzte ich mich in den Sand, während sie baden ging, ich behauptete, ich hätte gerade geduscht.
Wenigstens schwimmen hatte ich ihr beigebracht. Ich empfand sogar eine gewisse Freude, als ich daran zurückdachte. Ich sah ihr zu und mußte auch daran denken, daß Odile weit weg war, aber viel hatte nicht gefehlt, und ich verzog ohne richtigen Grund das Gesicht, denn um mich herum war alles einfach und ruhig. Wir winkten uns zu. Ich wußte nicht, ob ich mir über ihren Besuch Gedanken machen sollte.
»Mama rauft sich die Haare wegen ihres Buchs …«
Wir schlenderten am Strand entlang und gingen zwischen den Teichen zurück. Ich hatte unter dem Arm zwei, drei Krebsschalen, die sie aufgesammelt hatte, sowie eine Handvoll Gräser, die ins Haus gebracht werden mußten, und sie war schon über achtzehn.
»Ja … Ich glaube, sie war von Anfang an auf einem falschen Weg. Das dürfte nicht einfach sein.«
Ich ging hinter ihr, denn der Weg war an dieser Stelle schmaler, und ich konnte dumm vor mich hin nicken.
»Und wie steht’s?« erkundigte ich mich in einem Ton, der meiner Frage einen allgemeinen Sinn verlieh.
»Oh, sie ist fertig! Aber es ist noch schlimmer als vorher, als sie daran gearbeitet hat! Und von den Fahnen wollte sie nichts wissen, Robert hat sie selbst korrigieren müssen …«
»Mmm … Zu irgend etwas muß er ja nütze sein.«
Sie war stehengeblieben, um mir wieder einen Kuß zu geben. Ich hatte die Arme voll. Wir gingen weiter. Ich hatte wahrscheinlich nur erhalten, was ich verdient hatte, und ich hatte auch damit gerechnet, aber die Art, wie ich es erfuhr, erwies sich schmerzlicher als alles, was ich hätte hören können. Ich lächelte, als sich Eléonore zu mir umdrehte. Ich versuchte mir vorzustellen, was Edith empfunden hatte, als sie in meiner Lage gewesen war, aber meines Erachtens
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