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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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glauben. Ich hatte es im Gespür, daß die bluefish kamen und daß mich eine gute Nachricht erwartete.
    Dann klopfte sie an meine Tür. Ich dachte, sie hätte es sich anders überlegt und ich müßte mich ihr jetzt schon widmen, vielleicht wäre morgen ein Tag ohne irgendwas. Aber es war anders, sie hatte schlicht vergessen, mir etwas zu übergeben.
    Nachdem sie gegangen war, blieb ich eine Weile auf dem Bett liegen, neben Ediths Fahnen, die sich auf dem Nachttisch türmten. Es war ungefähr elf Uhr. Ich starrte zur Decke, und ich hörte das Meer, die Kröten, die Frösche, den Wind, der durch die Binsen pfiff, die Eichhörnchen, die über das Dach huschten, den Waschbären, der die Mülltonne umzuwerfen versuchte. Ich hätte Ediths Manuskript nach ihm werfen können, um ihn zu verscheuchen, aber ich tat es nicht. Es reichte mir, diese Lösung in aller Ruhe zu erwägen, um den Kopf zu drehen und mir das Ding freundlichen Auges anzuschauen. Und dann lachte ich ob der Leichtigkeit, mit der meine Hand danach griff. Es hatte ein normales Gewicht und eine normale Temperatur, mir sprang nichts ins Gesicht.
     
    Ich verbrachte die ganze Nacht damit. Das letzte Kapitel las ich im Stehen, in den Fensterrahmen gelehnt, und trotz der wundervollen Feuersbrunst, die am Himmel aufstieg und die Seiten beleuchtete, fand ich nicht, daß sie sich zum Ende hin gesteigert hatte. Und ich hatte es weiß Gott während der gesamten Lektüre gehofft. Ich will verdammt sein, wenn sich mein Gesicht nicht bei dem geringsten Lichtblick erhellte, wenn ich sie nicht mit jeder Faser angefeuert und mich so leicht gemacht habe, wie ich konnte, damit sie mich hochheben konnte, und sei es nur, um mich ein paar verflixte Zentimeter über dem Boden schweben zu lassen. Sie war dazu in der Lage. Sie hatte meine achtzig Kilo geschafft und den Platz, den ich den Frauen in puncto Literatur reserviert hatte. Ich erinnerte mich, mit welcher Befangenheit ich mich in ihren ersten Roman vertieft hatte, dazu der Schweiß, den mich der pure Gedanke gekostet hatte, daß ich ihr Talent von den Gefühlen zu trennen hätte, die ich für sie hegte. Ich erinnerte mich, wie ich ihr Buch auf meiner Brust zusammengeklappt hatte und wie sich in den nächsten Tagen meine Nase gepellt hatte, weil ich stundenlang in der prallen Sonne geblieben war. Ich sah mich noch, halb entstellt, reif zum Schälen wie ein Paprika, den man aus dem Ofen holt, verschrumpelt, rot und lächerlich, ich hatte mich für sie regelrecht verzehrt. Und ich sah sie noch, wie sie mir einen Finger auf die Lippen legte, wenn ich anfing: »Hör mal, ich weiß nicht, wie ich’s dir sagen soll …« Ich vermute, mein schmachtender Gesichtsausdruck reichte ihr.
    Ich mußte Oli wecken, aber ich gewährte mir noch ein paar Minuten der Entspannung. Ich nahm meine Brille ab und setzte mich einen Moment aufs Bett. Jetzt mußte ich davon ausgehen, daß Robert sich nicht damit begnügt hatte, sie zu bumsen. Ich stieß einen langen und geräuschvollen Seufzer der Verärgerung aus.
    »Ich könnte dir jede Stelle zeigen, wo er eingegriffen hat. Bis hin zu so manchen Satzgebilden, in die er seine Nase gesteckt hat. Oli, das ist wie eine Wiese, auf der er sich schamlos rumgelümmelt hat.«
    »Weißt du, warum ich nie ein Schriftsteller hätte sein können oder, was weiß ich, ein Schöpfer, der diesen Namen verdient hätte? Nun ja, ich glaube, mir hätte die Distanz gefehlt. Kannst du dir vorstellen, Tag für Tag dein Selbstvertrauen zu bewahren?! Und ich rede nicht von dem Druck, dem Zweifel und der Niedergeschlagenheit, die dein tägliches Brot sein müssen. Versuch nur mal, dir diesen unerschütterlichen Glauben vorzustellen … Kannst du mir sagen, ob es etwas Härteres gibt, als an sich selbst zu glauben?«
    Ich war schlecht gelaunt. Ich war müde, und wir fingen nichts. Ich stand bis zur Brust im Wasser, und mir war kalt.
    »Niemand hat sie zum Schreiben gezwungen. Es gibt andere Möglichkeiten, im Leben Spaß zu haben. Ich möchte, daß du darauf verzichtest, sie zu verteidigen, wenn es dir nichts ausmacht.«
    Er ging mir noch eine Weile auf den Wecker. Nicht daß er Ediths Partei ergriff oder nach Entschuldigungen suchte, aber die Wechselfälle und die Geheimnisse des künstlerischen Schaffens schienen ihn an diesem Morgen zu inspirieren. Er stand hinter mir wegen seines Beins, denn wenn die Wellen über seine Hüfte stiegen, drohten sie ihn umzuwerfen. Ich blickte mich nach ihm um, während ich meine Schnur

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