Pas de deux
auswarf. Eigentlich scherte ich mich nicht um schriftstellerische Ängste. Die Verwirrung, in die Edith gestürzt war und die Robert Lafitte auszunutzen gewußt hatte, regte mich, um ehrlich zu sein, nicht über Gebühr auf. Was für ihn die Qualen einer mit dem Großen Schwindel ringenden Seele waren, war für mich nur ein träges Sichgehenlassen, eine Mattigkeit, die ihr Agent ihr hatte durchgehen lassen. Ich wußte, die Literatur hatte einen breiten Rücken.
Ich kehrte zum Strand zurück. Ich blieb nicht neben ihm stehen, sondern stellte ihn vor die Wahl: Entweder schwang er weiter Reden, oder er ging mit mir essen.
Wenn er eine Weile im Wasser war, nahmen die Narben an seinen Beinen jedesmal eine häßliche Farbe an, und das eine, das am schwersten verletzt worden war und sich nicht mehr beugen ließ, machte ihm nach all den Jahren immer noch einigen Kummer. Er verzichtete zwar darauf, es der Sonne auszusetzen, doch beim Angeln konnte er keine Stiefel ertragen, und er hätte lieber sein Bein im Wasser verfaulen lassen, als davon abzulassen. Wenn wir dann wieder auf festem Boden waren, durfte ich es ihm abnibbeln, ich, der ich mich um die schönsten Frauenbeine gekümmert hatte, die man sich vorstellen konnte.
Ich ließ ihm gerade meine Pflege angedeihen, nicht ohne ihn daran zu erinnern, daß die Schriftsteller mindestens ebenso zum Kotzen, ebenso anstrengend und ebensolche Heuchler waren wie jeder andere auch und daß die wahren Heiligen diejenigen seien, die an ihrer Seite lebten. Die Stelle, die wir uns ausgesucht hatten, war besonders entlegen, schwer zugänglich, weit weg von der Straße. Finn und ich hatten dort ganze Tage verbracht, ohne daß sich eine Menschenseele hätte blicken lassen. Das war ein wunderschönes Geschenk, das ich Oli da machte. Bei aller Zuneigung, die ich für ihn hegte – ich hätte ihm diese Stelle verheimlicht, wenn wir nicht das gleiche Laster gehabt hätten – »I want to die in the saddle. An enemy of civilization. I want to walk around in the woods, fish and drink.«
Als ich Stimmen hörte, ließ ich sein Bein fallen.
»Bringt sie auch ihr Radio mit, ihre Schwimmflossen und ihre Luftmatratze?!« knurrte ich und starrte ihn finster an.
Er schien sich nicht übermäßig zu schämen. Er winkte ihnen zu, dann, ihre Ankunft lächelnd erwartend, murmelte er: »Er hat Wasser und Feuer vor dich gestellt. Streck deine Hand aus, und nimm das, was du willst.«
Ich stellte mir unsere Angelpartien in zehn Jahren vor, wenn wir erst einmal anfingen, Frauen mitzunehmen. Was würden wir dann erfinden, in welche Ecke würden wir dann gehen, um Luft zu schöpfen? Ich packte wortlos meinen Kram ein. Eléonore hatte meine Ausrüstung niemals angerührt, aber bei der anderen mußte man auf alles gefaßt sein. O ihr Wildbäche Schottlands, ihr Flüsse des Baskenlands, die ihr uns scheu und unnachgiebig erlebt habt, auf blanker Erde schlafend und sorglos wie Kinder! O Fische des Paradieses, unendliche Stille, Zigarren, geraucht unter einem Zelt, und sonst nichts! O ihr Bäche, an denen wir bis zur Quelle entlanggegangen sind, Himmel, die wir entdeckten, Frauen, die wir vergessen hatten!
Ich aß widerstrebend, obwohl Giuletta unsere Sandwichs durch einen Nudelsalat ersetzt hatte; nachdem ich mir die Finger geleckt hätte, wäre ich sanfterer Stimmung gewesen. Ich konnte mich jedoch unmöglich noch einmal bedienen und mich allzu begeistert zeigen. Ich stieß schließlich den Leuten keinen Dolch in den Rücken.
Kaum machte sich Oli daran, die Früchte seines Verrats zu genießen – sie ließen sich mit einem doppelten Lachanfall in den Sand fallen –, stand ich mit angewiderter Grimasse auf.
Ich schaute Eléonore an. Wir entfernten uns von dieser schmutzigen Umarmung, die einen Judas und eine halbe Portion vereinte, und ich für mein Teil drehte mich nicht um, ich machte keine großen Augen.
»Paß auf, soviel ich weiß, handelt es sich diesmal nicht um Verführung Minderjähriger. Aber Herr im Himmel, groß ist die wirklich nicht!«
Der Katalog der Scherereien, die sich Oli einzuhandeln drohte, seine fast schon Abartigkeit, die sich zu verschlimmern schien, wenn man bedachte, daß Giuletta noch eine Nummer kleiner war als die vorherige, regte unser Gespräch auf gut einem Kilometer an. Ich hatte eine Sammlung Treibholz unter dem Arm, die Eléonore auf unserem Weg noch bereicherte und die sie für weiß der Himmel was brauchte. Ich schielte unauffällig zu ihr hinüber und stellte fest,
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