Pas de deux
damit abfinden.«
»Das durfte nicht passieren, verstehst du?«
»Nein, tue ich nicht.«
Sie schaute nach rechts, dann nach links, und plötzlich fing sie an zu weinen.
»Ach, Papa! Ich bin schwanger!!«
Ich dachte: ›So. Jetzt haben wir’s! Und das ist wirklich ein Schlag, der einen Ochsen umhauen würde.‹
»Ja sag doch was!«
»Verdammt und zugenäht!« murmelte ich.
Ich erbleichte unter meiner Maske. Ich stellte mir vor, daß ich aus ihrer Sicht nur die Ruhe bewahrte, aber der Lehm war hart geworden und verbot mir die geringste Grimasse.
Und jetzt vergoß sie keine Tränen mehr, das waren Sturzbäche, die ich, unverwandt starrend, über ihre Brust fließen sah und die sich mit dem Wasser der Wanne vermischten.
»Du mußt mir helfen … Bitte, Papa, ich will eine Abtreibung!«
»Eine was?«
»Ich will es nicht behalten! Das ist unmöglich!!«
Mein Gesicht zog sich dermaßen zusammen, daß sich ganze Brocken von meiner Haut lösten. Andere verfingen sich in meinen Haaren und purzelten über meine Stirn, als ich den Kopf schüttelte und knurrte: »Ah! Herrgott noch mal!«
2. Oktober 1961
Jérémie hat sich meine Hand genau angesehen. Sie ist nur geschwollen, es ist nichts gebrochen, wie ich befürchtet habe. Na ja, ich hoffe, ich bin nicht die einzige, die leiden muß.
Ich habe heute getan, was ich mir vorgenommen hatte. Und trotz der Entwicklung, die die Dinge am Ende genommen haben, bereue ich nichts.
Nun, Ramona hat sich nicht getäuscht. Die andere geht nachmittags arbeiten, und er kommt und macht mir die Tür auf wie ein großer Junge. Ich bin von Davids Wohnung aus zu Fuß gegangen, um das Gewitter auszunutzen. Wir bleiben eine halbe Ewigkeit im Flur stehen, er macht große Augen, und ich zerfließe im Türrahmen. »Darf ich fünf Minuten reinkommen?« frage ich ihn. Ich muß ihn zur Seite schieben, um mir Eintritt zu verschaffen. Und ich frage ihn auch, wo das Badezimmer ist.
Ich schließe mich ein. Ich bin fürchterlich nervös. Und zugleich ganz ruhig, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich fange an zu husten und erzähle ihm durch die Tür, was mir gerade einfällt, daß ich die Nacht draußen verbracht hätte, ich erfinde irgendwas. Und ich schaue mich um, und ich sehe zwischen all diesem Frauenzeug nichts, was ihm gehört.
Ich beuge mich über das Waschbecken und betrachte mich, und ich weiß, nichts wird mich aufhalten. Ich beiße mir einen Moment auf die Lippen. Dann ziehe ich mich aus und danke dem Himmel für diesen unverhofften Regen. Ich richte meine Haare ein wenig, ich lasse zwei, drei nasse Strähnen in mein Gesicht fallen. Perfekt. Ich sehe aus, als hätte ich versucht, mich zu ertränken. In ein Handtuch gewickelt, komme ich wieder raus.
Ich tue so, als wäre ich eine, die den schlimmsten Ärger der Welt hat, sich aber gut hält. Ich sage ihm, ich wolle nur fünf Minuten verschnaufen, was er meine, ob das möglich sei?, und daß ich dann sofort wieder durch die Tür bin. Dann schüttele ich den Kopf und füge hinzu, andererseits wäre es wohl besser, ich verschwände auf der Stelle.
»Meine Güte, sei nicht so dumm!«
»Ich hatte nicht die Absicht, dich zu stören. Ich bin raufgekommen, ohne mir was dabei zu denken!«
»Schön, ich mach uns ’nen Tee.«
» Warte … Ich weiß nicht … Kommt Anna nicht bald zurück?«
»Nein, nicht vor fünf.«
»Ah! Weil … In dem Zustand, in dem ich bin, verstehst du?«
Er glaubt mich anlügen zu müssen, der dumme Idiot! Anna kommt nie vor sieben Uhr zurück. Ich habe in ihrem Laden angerufen, um mich zu vergewissern. Wo ich einmal dabei war, habe ich meine Stimme verstellt und zu ihr gesagt: »Guten Tag, mein Name ist Baudouin. Ich arbeite an einem Bericht über junge Frauen, die mit fünfundzwanzig noch unverheiratet sind …« Ich hasse dieses Mädchen. Ich hasse ihre Wohnung und die bescheuerte Art, wie sie ihren ganzen Krimskrams aufgebaut hat. Ich hasse ihr Parfüm, ihre Cretonnevorhänge, ihre Zierdeckchen, ihren Teppich, ihre Stehlampe, ihre Blumen, ihr ganzes beknacktes Liliputanerreich. Nichts hier sieht nach Henri-John aus, es ist kaum zu glauben! Und ich weiß nicht, soll ich mich darüber freuen oder soll ich das einfach nur erbärmlich finden? Ich bin mir noch nicht sicher.
Er kommt mit den Tassen. Sie sind so schnuckelig, daß man bei dem Gedanken zittert, eine zu zerbrechen. Hat er zufällig noch ein paar Plätzchen? Er hat. Ich träume! Ich habe Angst, daß er mir gleich noch eine Zuckerzange
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