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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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lächeln oder eine Gänsehaut bekommen soll. »Nehmen Sie irgendeine auf den ersten Blick noch so unscheinbare Sache aus dem wirklichen Leben – wenn Sie nur die Kraft und das Auge haben, werden Sie darin eine Tiefe entdecken, die Shakespeare nicht hat.« Unterzeichnet mit Fjodor Michailowitsch Dostojewskij.
     
    22. Juni 1965
    Ich habe nie gedacht, daß ein Mann allein mein Leben ausfüllen könnte.
    Der Gedanke, Schriftstellerin zu werden, ist mir auch noch nie gekommen. Das war nicht ich, die da mit Elisabeth gesprochen hat, mein Mund hat sich geöffnet, und die Worte sind von selbst hervorgesprudelt. Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich wage kaum, daran zu denken, mir ist, als schaute ich in ein grelles Licht. Und dennoch werde ich mir langsam einer Sache bewußt, deren Deutlichkeit mich verwirrt. Ich führe dieses Tagebuch jetzt seit Jahren, es ist so dick, so aufgebläht, daß es mir schon monströs erscheint, aber nie hat es mich verlassen, nie habe ich versäumt, zu ihm zurückzukehren. Ich habe jeden Tag etwas hineingeschrieben, jeden Tag, ohne Ausnahme. Ich habe dabei nie gedacht, daß ich etwas schreibe, ich habe mich nie gefragt, ob meine Sätze etwas taugen, das war nie mein Ziel. Wenn ich das getan hätte, ich glaube, dann hätte ich mich dermaßen geschämt, daß ich hätte aufhören müssen. Bücher haben mich immer eingeschüchtert, niemals hätte ich mein Gekritzel mit dem Werk eines Schriftstellers vergleichen, geschweige denn auf eine Stufe stellen können. Aber eines weiß ich: Wenn ich mich damit an meinen Tisch gesetzt habe, dann stets mit dem Gefühl, einem Bedürfnis nachzugeben, einem Bedürfnis, das ich vielleicht nie genau definiert habe, das jedoch mit der Zeit nicht schwächer wurde. Und das ich nie als Vergnügen oder Verpflichtung aufgefaßt habe, sondern als eine natürliche Sache, die man gewohnheitsmäßig ausübt. So wie ich nicht ungewaschen zu Bett gehe, beende ich meinen Tag niemals, ohne einige Zeilen geschrieben zu haben. Ich glaube, etwas anderes käme mir nie in den Sinn.
    Das heißt nicht, daß ich damit jetzt überschnappe. Das regt mich mehr auf als alles andere.
     
    Meryl kam gegen Ende des Winters. Sie war eine Schülerin, die Georges von Robbins empfohlen worden war, ein Mädchen, das aufgrund familiärer Zwistigkeiten gezwungen war, einige Monate in Frankreich zu verbringen, und das einen guten Lehrer brauchte. Als sie eines Morgens bei uns auftauchte, hingen Oli und ich unter der Motorhaube meiner Nuckelpinne. Wir schauten uns an, bevor wir unser Werkzeug fallen ließen.
    Bislang hatten wir, was Mädchen anging, stets geglaubt, unsere Geschmäcker seien verschieden, aber Meryl brachte es fertig, daß wir uns tatsächlich mal einig waren. Sie brauchte einen nur kurz anzusehen, schon fühlte man sich für den Rest des Tages bescheuert oder verhext oder unglücklich. Neben all den Dingen, die einen verrückt machten, hatte sie einen entzückenden Akzent.
    Ich war seit meinen 62er Beschlüssen beharrlich meinen Weg gegangen. Mein Verhalten hatte es mir zwar nicht leichtgemacht, aber ich hatte keine heiklen Probleme mehr lösen müssen, ich war auch nicht mehr ins Krankenhaus gekommen und hatte kein Blut mehr auf dem Gewissen. Einiges hatte mich sogar in meiner Haltung bestärkt, so Davids schmerzliche Abreise nach Island, wo er nach Monaten der Niedergeschlagenheit und verzweifelter Versuche, Edith zurückzugewinnen, wieder bei Null anzufangen gedachte. Oder auch die hysterischen Attacken, die Oli seitens einer seiner Eroberungen hatte erdulden müssen, der er anscheinend ewige Liebe geschworen hatte und die nun drohte, sich unter seinem Fenster das Leben zu nehmen. »Siehst du jetzt, was du dir mit deinem Stuß einbrockst?!« hatte ich ihn ermahnt, als wir das Mädchen entwaffneten.
    Aber Edith und er waren schwer von Begriff. Trotz der Lektionen, die ihnen das Leben erteilte, schwelgten sie weiter in Gefühlen und heulten sich dann abwechselnd in meinen Armen aus, wenn es wieder einmal in die Hose gegangen war. »Wie soll das denn klappen?!« hingen sie mir in den Ohren. »So ganz ohne Gefühle?!« Ich hatte es aufgegeben, mir mit guten Ratschlägen den Mund fusselig zu reden. Ich fand Zeit zum Lesen, während sie von ihren Liebschaften loszukommen suchten. Ich fand das nicht einmal lustig.
    Edith war weiterhin der Ansicht, ich sei nicht normal. Wenn es ihr Spaß machte, war ich gern bereit zuzugeben, daß mir etwas fehlte. Man hatte mir eines Tages die Mandeln

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