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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Weile ans Grab von Joyce setzen. Eléonore erschien als nächste. Sie hatte es ebenfalls eilig, sie mußte einen Kurs nachholen oder irgendwas in der Art, ich wurde nicht ganz schlau daraus.
    Ich hörte eine Weile zu, wie sie rauf und runter liefen und Türen auf- und zumachten, dann zogen sie los, und das Haus war wieder still. Ich fing an, die Hecke zu schneiden. Es war ein schöner Tag.
    »Hör mal … Darum brauchst du dich nicht zu kümmern.«
    Ich drehte mich halb auf meinem Hocker um.
    »Ach … Das macht mir nichts aus.«
    Ich konnte sehen, daß sie ihre Toasts meinen Croissants vorzog. Und daß sie nicht lächelte, sondern eher verärgert war.
    »Henri-John, ich will, daß du den Garten in Ruhe läßt. Ich will nicht, daß du die Fensterläden streichst. Ich will nicht, daß du mir Croissants bringst und die Post vor die Tür legst. Ich will nicht, daß du aufs Dach steigst und nachsiehst, ob die Ziegel in Ordnung sind. Ich brauche nichts, hast du das kapiert?«
    Ich klappte den Hocker zusammen und ging zu meinem Schuppen, ohne einen Ton zu sagen. Ich war froh, daß ich nicht explodiert war, daß ich alles schweigend hingenommen hatte. Das war eine verzwickte Situation. »Wer die Kunst des direkten und indirekten Vorrückens kennt, wird siegreich sein. Dies ist die Kunst des Manövrierens.« (Sun Tzu)
    Ich konnte feststellen, daß ich am Nachmittag die richtige Haltung eingenommen hatte. Ich sah sie kommen, tief in meinem Liegestuhl versunken. Sie guckte in die Luft, träumte vor sich hin, während sie näher kam.
    »Ich wollte nicht zu schroff sein …«
    »Nein, ich bin selbst ungeschickt …«, antwortete ich und legte ihr Buch zur Seite.
    »Stellt euch mit seinem letzten Buch in der Hand vor einen Schriftsteller, schon habt ihr ihn an den Eiern« (anonymus). Das war nicht unbedingt geplant. Ich hatte die Absicht, früher oder später noch einmal mit ihr darüber zu reden, und ich wollte mein Gedächtnis auffrischen. Jedenfalls hatte ich sie gewissermaßen in der Hand. Hätte ich meine Nase zwischen ihre Seiten gesteckt und vor Bewunderung geächzt, wäre eine Welle des Vergnügens durch ihren Körper geflutet. Hätte ich es mit angewidertem Gesicht auf den Boden gepfeffert, wäre sie bleich geworden. Vielleicht hätte sie sogar vor Schmerz aufgestöhnt. Ich begnügte mich damit, lässig mit den Fingerspitzen auf dem Einband zu trommeln. Vielleicht war das so, als neckte ich sie mit einer Messerspitze, wer weiß?
    Sie hatte bestimmt irgendein seichtes Zeug sagen wollen, um die Wogen zu glätten, um ihre Worte vom Vormittag abzuschwächen, aber jetzt hatte sie alles vergessen. Sie schaute auf ihr Buch. Ihre Stirn war in Falten.
    »Äh … Henri-John …«
    »Ja, Edith?«
    »Könnten wir unser Theater für fünf Minuten vergessen?«
    »Sicher.«
    »Ich möchte, daß du offen mit mir sprichst, ohne Hintergedanken.«
    »Du kannst dich auf mich verlassen.«
    Ich schämte mich fast, eine solch bequeme Haltung einzunehmen, während sie von einem Fuß auf den andern hüpfte. Ich war heilfroh, keine Bücher zu schreiben.
    »Sei ehrlich, sag mir, was du davon hältst.«
    »Mmm … Weißt du, ich fürchte, die Umstände sind dafür nicht gerade günstig.«
    »Red keinen Unsinn! Ich muß es wissen!«
    Ich nahm meine Sonnenbrille ab. Das war der geeignete Augenblick, ihr zu zeigen, daß es mich nicht schreckte, draußen zu schlafen, und vielleicht stimmte es sogar.
    »Das ist das Schlechteste, was du je geschrieben hast. Das ist noch schlimmer, als ich mir nach dem ersten Kapitel vorgestellt habe.«
    Sie drehte sich um und ging.
    Es wurde Abend. Evelyne war zum drittenmal in dieser Woche eingekehrt und kurz darauf wieder gefahren. Eléonore gesellte sich eine Weile zu mir. Ich hatte ihr nur ein paar Nudeln anzubieten, ein wenig Gorgonzola und einen Schluck italienischen Rotwein, den ich kalt gestellt hatte, aber sie erklärte, sie wolle ebenfalls ausgehen.
    »Geh, amüsier dich«, sagte ich zu ihr, »ich hab sowieso keinen Hunger.«
    Ich blieb eine ganze Weile draußen, vor einer Schale mit Salzbrezeln und einem großen Glas mit weißem Wermut, das ich zum Abschied über meinen Kopf hob, als sie rückwärts über die Allee ging und mir zuwinkte. Es gab Leute, denen die Zuneigung, die ich für mich hegte, Sorgen machte, aber wenn man meine Meinung hören wollte: Ich hatte das Gefühl, sie machte sich ganz gut. Die Dinge gehen nie schief, wenn sie sich in die richtige Richtung entwickeln.
    Die Nacht war zartrosagrau,

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