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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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ein Vorkaufsrecht einräumte, wenn sich an einem Abend unsere Blicke auf das gleiche Ziel konzentrierten. Und als Lohn für seine Freundlichkeit ließ ich ihn zuweilen ans Ruder. Denn der Himmel zwischen ihm und mir war strahlend blau. Und das sicher auch, weil ich Schlanke und Große liebte und er eher die Kleinen, die Püppchen, so daß unsere gegenseitige Höflichkeit nur bei den Mittelgroßen notwendig war.
    Diese Sache mit der Größe spielte bei Meryl keine Rolle. Sie schlug uns beide in ihren Bann, ohne daß wir ein Zentimetermaß anlegen mußten. Und zum erstenmal erbot sich Oli keineswegs, mir den Vortritt zu überlassen. Ich hatte sogar den Eindruck, daß er die Ellbogen spielen ließ und mich zur Seite drängte, und sein Verhalten verletzte mich und ging mir hochgradig auf die Nerven. Nicht anders als anfangs auch lieferten wir uns zwar kein Wortgefecht, was Meryl betraf, aber er hatte mich bald im Schlepptau, und wir schwänzelten zu zweit um sie herum.
    Wir störten uns gegenseitig. Wir waren wie zwei Läufer, die einander im Auge hatten, auf den geringsten Fehltritt lauerten und aus Angst, einen Fehler zu begehen, nicht wagten, sich an die Spitze zu setzen. Zumal uns Meryl nicht viel half. Ich konnte sie noch so sehr beobachten und die Aufmerksamkeiten und Blicke vergleichen, die sie ihm und mir schenkte, ich bekam nicht heraus, zu wessen Gunsten sich die Waagschale neigte. Und da ich immerhin der ältere von uns beiden war, schmerzte es mich allmählich, daß ich nicht die Führung übernahm. Ich fragte mich, ob ich es ertragen könnte, von ihm abgehängt zu werden. In gewisser Weise stand meine Ehre auf dem Spiel. Die Kordeln, die ich zwischen meinen Fingern knetete, verhedderten sich zu verschlungenen Monstern, die ich nicht mehr auf bekam.
    Oli hatte sie nicht mehr alle. Ich war mir nicht mal sicher, ob er mich im Auge behielt oder meine Schritte und Manöver in diesem Rennen verfolgte. Obwohl noch nichts entschieden war, krampfte sich ihm vor Liebe der Magen zusammen. Es machte mich noch nervöser, ihn in diesem Zustand zu sehen.
    An Meryls Stelle hätte ich uns beide für arme Irre gehalten. Unser Treiben war jämmerlich, lachhaft, nicht mehr komisch. Bisweilen sah ich mich gezwungen, Oli eine Weile das Terrain zu überlassen, um nicht ins Groteske abzusinken. Unser Eifer, ergo unsere Ungeschicklichkeit, grenzte oft an Keilerei, an überschäumende Körpersäfte, artete in ein wildes Gedränge aus, wenn wir schlicht durch eine Tür gingen. Da setzte ich mich lieber wieder hin, wenn ich ihn aufspringen sah, trat zur Seite, wenn er zwischen uns auftauchte, streckte die Beine aus und wartete ab, bis er genug große Töne gespuckt hatte, um selbst ein paar anzubringen.
    Nichts konnte ihn aufhalten. Es hätte mich nicht gewundert, wenn ich erfahren hätte, daß er bis Tagesanbruch durch sein Zimmer tigere. Wenn ich morgens runterging, war er stets schon unten. Der Unterricht fing erst um neun Uhr an, aber er war bereits auf den Beinen, um man weiß schon wen nicht zu verpassen. Er grüßte mich mit abwesender Miene, aß nichts, trank einen Kaffee nach dem andern. Er lächelte mich sogar an. Er war total im Tran. Wenn ich ein paar Worte über dieses lächerliche Verhalten knurrte, schien er nicht zu verstehen, was ich sagte, er gab keine Antwort, und sein Blick durchbohrte mich, wenn ich mich zufällig zwischen ihn und das Fenster schob, durch das er das Gartentor beobachten konnte.
    Er näherte sich der geistigen Beschränktheit. Ich hoffte, Meryl würde dieses seligen Schwachkopfs überdrüssig werden, zumal ich aus Furcht, er könne sein Ziel erreichen – man wußte ja nie –, gezwungen war, selbst zumindest das Minimum zu tun. Im allgemeinen fühlte ich mich in der Rolle des Gleichgültigen wohler, ich brauchte mich nicht zu beklagen. Ich hatte also allen Grund, aufgebracht zu sein, ich hatte ihm dermaßen viel vorzuwerfen, daß ich mich manchmal mit geballten Fäusten ertappte.
    Dann lud uns Meryl in die Vereinigten Staaten ein.
     
    Meinerseits dämpfte das die Spannung. Man brauchte nur eine Treppe runterzugehen, um ein Bad zu nehmen und sich abzukühlen. Die Gegend war für meinen Geschmack ein bißchen einsam, aber nicht allzuweit weg war eine kleine Stadt, wenn man abends ausgehen wollte. Kurz und gut, die Sache ließ sich trotz der Umstände nicht übel an.
    Das war natürlich die Reise, von der wir geträumt hatten. Unsere Fahrten quer durch Europa am Rockzipfel des Sinn-Fein-Balletts

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