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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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herausgenommen, und seitdem erfreute ich mich bester Gesundheit. Überall werden Tumore, Knoten, Blinddärme entfernt, die die Leute krank machen. Warum sollte ich mich nicht eines Dings entledigen, das der Umschwung all meiner Probleme war, das daran schuld war, daß alles danebenging? Mit Gefühlen zu spielen hieß die Schlinge knüpfen, mit der man sich erhängt. Oder bestenfalls die Riemen der Peitschen mit Nägeln zu versehen und sich das Hemd hochzuschieben. Und das hatte ich nicht aus meinen Büchern. Ich war nicht der Typ, ein Gericht zurückzuweisen, ohne es gekostet zu haben. Ich wußte nicht, ob sie sich erinnerte, was ich in der Vergangenheit erlitten hatte, ob sie überhaupt etwas gemerkt hatte. Wer von uns hatte denn eins auf den Deckel gekriegt, als ich noch weich, verletzlich und unschuldig war? Wer war der Schwachkopf, den man in kleine Stücke schnitt, wenn irgendein Dämlack sie in seine Arme schloß und ihre Lippen verschlang? Wer von uns beiden hatte seine Trauer und seinen Rotz hinuntergeschluckt, während sie sich bemühte, eine Frau zu werden, die sich von anderen befummeln ließ, wer von uns hatte denn die Fäuste geballt, wenn sie sich mit diesem Blödmann von Bob einschloß? Ich hätte ihr einiges auftischen können, wenn ich gewollt hätte. Kleine Geschichten wie die Prügel, die mir dieser Arsch von Juri in Leningrad am Kai der Roten Flotte verpaßt hatte, oder das eine Mal, wo ich glaubte, jetzt werde es passieren, als ich sie streichelte und fast verging und sie mittendrin ohne irgendeine Erklärung aufstand und ging. Entweder war ich reif für die Klapsmühle, oder ich war gewaltig auf dem Holzweg. Und ich nahm ihr all diese Geschichten nicht übel, das war vergeben und vergessen, es ging auch nicht um sie persönlich, es ging um alle anderen, um uns alle, um das, was jedem blüht, der dummerweise glaubt, man könne sich in eine goldene Barke setzen und zu zweit über einen See des Friedens und der Ruhe dahinschnellen, ohne jemals das andere Ufer zu erreichen, wo man doch jedesmal dagegen prallt, daran zerschellt und in die Bäume geschleudert wird. Ich sah ringsum nichts als Fußkranke, nichts als Schweinehunde, Leichtsinnige, Waschlappen, Ahnungslose, zu Tode Betrübte, Entflammte, die sich mit Asche und ihren Opfern zudeckten. Und mir fehlte etwas?! Meinetwegen mochte man mir den Arm ausreißen, wenn er sich auszustrecken drohte. Es gab Typen, die hatten sich verstümmelt, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen. Was bedeuteten schon zwei, drei Tage voller Nervosität oder ein leichter Kater, verglichen mit dem, was einen sonst erwartete? Sobald mir ein Mädchen ein bißchen zu gut gefiel, verzog ich mich wie der Nebel vor der aufgehenden Sonne. Nur Esel rennen zweimal gegen die gleiche Mauer.
    Mit Meryl war das ein wenig anders. Einer der Gründe, der mich auf der geraden Linie, die ich mir vorgezeichnet hatte, ins Schleudern brachte, hing mit ihrem Stundenplan zusammen. Sie kam nicht nur einmal oder, wie die meisten Schüler, zweimal in der Woche zum Unterricht, sondern jeden Tag, wenn das nicht gar auf den Nachmittag überschwappte. Ich spürte sogleich die Gefahr, die Schwierigkeiten, die ich haben würde, im rechten Moment alle Brücken abzubrechen. Das war reines Dynamit, was uns da in die Arme fiel.
    Schon bald erklärte ich Oli, daß wir uns von ihr fernhalten müßten. Aber auf dem Ohr war der Kerl taub. Er fing an, um sie herumzuschwänzeln, und sagte ständig, er könne nichts dafür, sie sei viel zu dies und viel zu das, als ob ich blind wäre. Zunächst sagte ich nichts, aber ich war zum erstenmal in meinem Leben sauer auf ihn.
    Zu dieser Zeit erlagen, wie durch eine Art Fluch, sämtliche Bewohner des Hauses Meryls Charme. Auf allen Stockwerken rief man ihr ›Schätzchen‹ nach, und sie bewegte sich unter uns so behend wie ein Fisch im Wasser.
    Es fiel mir nicht leicht, außer Reichweite zu bleiben. Trotz meines Widerstands brauchte sie nicht lange, um mich in die Tasche zu stecken. Sie brachte mich – manche Päckchen kamen extra für mich aus den USA – auf einige junge Autoren wie Carver und Harrison, während ich noch bei Kerouac und Saroyan steckte, und ich rauchte Import-Winstons, ich erhielt ganze Stangen. Leider war ich nicht der einzige, der in den Genuß ihrer Gunstbeweise kam. Und so gerieten Oli und ich schnell in ein undurchsichtiges Klima.
    Wir hatten uns noch nie um ein Mädchen gestritten. Ich hatte sogar mitunter das Gefühl, daß er mir sozusagen

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