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Pasdan

Pasdan

Titel: Pasdan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Terminal und einem Papierstapel, unter dem sich vermutlich ein Tisch verbarg. Sie blickte auf, als Dante den Raum betrat.
    »Ah, Barakuda.« Sie gähnte. »Wir sind bald wieder komplett, die Nachtschichten gehen zu Ende. Und Sie haben wilde Abenteuer erlebt?«
    Er nickte und trat zu ihr. Er wollte einen Blick auf das Terminal und die Papierstreifen werfen; dabei legte er eine Hand auf die Schulter der Ersten Operatorin.
    Wie ein kräftiger Wechselstrom baute sich zwischen ihnen eine intensive sinnliche Spannung auf; Barakuda holte Luft und fühlte seine Knie weich werden. »Das träume ich aber nur«, murmelte er.
    Fast drei Jahre distanzierter Zusammenarbeit, meist per Visifon, ohne einen einzigen Händedruck - und nun das. Er blickte auf das dunkle Haar hinab, das lang über die Khakibluse fiel.
    Langsam drehte sie sich mit ihrem Sessel herum und hob das Gesicht. Barakuda fragte sich, wieso er diese Frau mit ihren vollen Lippen, dem energischen Kinn und den warmen dunkelbraunen Augen nie zuvor gesehen hatte.
    Sie musterte ihn mit verschleiertem Blick. »Etliche Volt«, sagte sie leise. Sie hob die rechte Hand und berührte seine Finger, die noch immer auf ihrer Schulter lagen.
     
    Er erledigte mit mangelhafter Konzentration notwendige Routinearbeiten, führte Gespräche mit seiner Vertreterin und Major Maqari, studierte ohne großes Interesse Dossiers, die der Präfekt der Gendarmerie hatte zusammenstellen lassen. Sie betrafen ihn und Ataratz selbst ebenso wie die anderen sechs Mitglieder des Krisenrats, enthielten aber nichts Neues. Keiner der acht für Manipulation in Frage Kommenden besaß große Schätze oder sonstwie Auffälliges. Ataratz hatte in seiner krakeligen Schrift angemerkt: »Wer von uns hat die Möglichkeit, Geld o. ä. nach draußen zu schmuggeln? V. A.« Dante legte die Papiere beiseite und knurrte: »Jeder.«
    Abends traf er sich mit Leontia Vilgram in einer kleinen Bar im Zentrum. Die Operatorin sah müde und munter zugleich aus; sie hatte das dunkle Haar im Nacken mit einer hellroten Schleife zusammengebunden und trug eine weite weiße Bluse, einen hellgrünen kurzen Rock und Sandalen. Dank Ataratz’ Dossier wußte Dante, daß sie nach einer Scheidung um Versetzung nach Shilgat gebeten hatte. Entschlossen verdrängte er alle bösen Gedanken. »Rätselhaft«, sagte er.
    Leontia saß neben ihm auf einem Hocker und legte eine Hand aufsein Knie. »Was ist rätselhaft?«
    Er musterte im Halbdunkel ihr Profil. »Jahrelang sehen wir uns von weitem und wissen nicht, daß eine flüchtige Berührung Funken sprühen läßt.« Er fühlte sich merkwürdig wohl und unwohl; er fürchtete sich vor plötzlicher Nähe.
    Leontia zog ihre Hand zurück. »Ich habe ein paar sensationelle Vorschläge.«
    Barakuda grinste plötzlich. »Ja. Ja?«
    Sie verließen die Bar; Leontia hakte sich bei ihm unter.
    »Übrigens riechst du nach Pferd. Sehr aufregend.«
    »Ehrenwörtlich versichere ich, daß ich mich mehrmals gründlich gewaschen habe, ja, ich habe sogar frische Kleidung über mich gestülpt, aber an den guten Tieren, wenn man mit ihnen wochenlang zu tun hat, ist etwas Haftendes.«
    »Pferd reicht völlig. Fisch muß nicht sein heute abend. Einverstanden, wenn wir zu mir gehen statt zum Hafen und deiner Wohnung, über die so viele Legenden umlaufen?«
    »Natürlich. Aber welche Legenden?«
    Sie gingen nach Osten, vorbei an den seltener werdenden Häusern; während sie sich dem Hang näherten, an dem oberhalb von Stadt und Serai die Bungalows lagen, informierte Leontia ihn kichernd über die zahllosen Geschichten, die man sich vom Meeresleuchten, der Wirtin, den Mädchen und den anderen Figuren jener Umgebung erzählte.
    Leontia bewohnte einen der kleineren Bungalows; Dante bewunderte die Aussicht auf das nächtliche Meer und die Lichter der Stadt, der Hotels und des Hafens. Er stand zwischen Büschen auf der Terrasse und atmete kühlen Nachtwind. Leontia braute Kaffee.
    Viel später lagen sie nebeneinander. Dante starrte in die Kerze, verkniff sich den Griff zur Zigarette und streichelte den Rücken der Frau.
    »Warm und kuschelig«, sagte sie. »Aber tiefer wird es nicht gehen, nicht wahr?«
    »Ja. Ist das schlimm?«
    Sie lachte und fuhr mit einem scharfen Nagel sein Rückgrat entlang. »Nein. Äußerst erholsam. Mein Bedarf an verzehrender Liebe, die alles andere ausschließt, ist für die nächsten beiden Jahrtausende gedeckt.«
    Sie sprachen nicht viel in dieser Nacht. Irgendwann würde es zu Ende gehen.

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