Pasdan
zufrieden?« Dr. Zavimbi lächelte verhalten.
»Ah, die paar Ärzte und Medikrobots… Überhaupt, Sie und Ihr verdammtes Protektoratsstatut… Kein Strom, keine modernen Waffen, nur Pfeil und Bogen und Speere. Man könnte es sich auch ein bißchen einfacher machen.«
Barakuda nickte. »Würden Sie dann soviel dafür zahlen?«
»Nee.« Der Tourist grinste.
Die Himmelslatrine war verschwunden. Eine Vorahnung von Wind strich über das Hafenbecken und wühlte die Gerüche auf. Aus dem Meeresleuchten kam Begheli mit einem Tablett.
»Letzte oder vorletzte Runde.« Sie blieb neben Dante stehen. »Irgendwelche Wünsche?«
Der Tourist stand auf und leerte sein Bier. »Ich wanke jetzt wohl besser zum Hotel.«
Barakuda stellte seinen Becher auf Beghelis Tablett. »Danke. Nein, ich nichts mehr.«
Die Ärztin schwieg, hob ihr Glas und blickte zwischen dem narbigen Mann und der aparten Mischlingsfrau hin und her.
»Sehen wir uns noch?« sagte Begheli halblaut.
Barakuda beugte sich vor und küßte ihre Wange. »Zu müde.«
Aus: Eine seltsame Randwelt von Alma Cyngond MA
(in: XENOGRAM 3/466, Schrift des Instituts für Fremdvölker,
Große Akademie Atenoa, Gaia)
»…In einschlägigen Lexika finden sich gelegentlich Vergleiche zwischen dem Denken der Shil und dem der Noastoa { * } . Sie sind reizvoll, führen aber in die Irre. Die Offizialphilosophie des Commonwealth mit ihren diversen Unterdisziplinen, von der Analytischen Meditation bis zum Präventiven Exaltismus, wird viel studiert und selten angewandt - das Denken der Shil ist mit der Sprache Shilgu verbunden, wendet sich von selbst an und bedarf keines Studiums. Noastoa ist der skeptische Verzicht auf universale (metaphysische) Ordnung; die Shil umarmen das Chaos. Anders als die meisten früheren oder konkurrierenden Systeme hält die Noastoa den Menschen für nicht perfektionierbar, den Staat für eine Notlösung: Ihr Ziel ist nicht die beste aller Welten für den vollkommenen Menschen, sondern sozial kanalisierter Eigennutz, Schadensbegrenzung, der Versuch, alle Defekte im Zusammenwirken bewohnbar zu machen. Verglichen mit früheren historischen Zuständen dürfen wir wahrlich dankbar sein, in einem Commonwealth zu leben, das aufgeklärt und rational ist, das statt utopischer oder religiöser Zwangsvorstellungen die altirdischen Axiome von Parkinson (›Die von einem Kollektiv geleistete Arbeit ist umgekehrt proportional zur Anzahl der mit ihrer Erledigung befaßten Personen‹), Peters (›In einer Hierarchie werden Individuen bis zur Ebene ihrer maximalen Inkompetenz befördert‹) und Murphy (›Was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen‹) zu Vermeidungsprinzipien der Staatsphilosophie erhoben hat! Aber es ist eine Staatsphilosophie - das Shilgu kennt keinen Begriff für Staat…
In den Shil-Sprachen gibt es drei Zustandsformen: Real, Potential, Irreal. Materiell faßbare Dinge, oder solche der allgemein akzeptierten Erfahrung und Wahrnehmung, werden im Realis erörtert - Philosophisches oder Religiöses im Irrealis. Es gibt für die Shil kein Universum, das eine einheitliche Ordnung ja voraussetzt; wo wir vom Universum reden, sagen die Shil shigal, Großes Chaos. Universum ließe sich nur als nu’shigalto übersetzen, etwa Irreales Nicht-Chaos. Eine spezifische Irrealität, wie sie unsere metaphysischen oder staatspolitischen Systeme darbieten, ist für die Shil nur als Vision oder absurdes Spiel akzeptabel, etwa nach dem Genuß des Halluzinogens Taumeltang.
… die Bedeutung der Sprache für das Denken kann hier nicht genug betont werden. Wer allein materiell faßbare Dinge als real begreift und im Realis ausdrückt, nimmt die Welt, wie sie ist, und stellt keine Hypothesen darüber auf, wie sie (oder der Mensch, die Gesellschaft etc.) sein sollte. Weltanschauung (›Opium für Intellektuelle‹) findet nicht statt, da die Welt der Anschauung nicht bedarf; Shil zimmern kein Weltbild, um sich geborgen fühlen zu können, sondern sie erfreuen sich des Chaos. Zur Erbauung oder Zerstreuung erfinden sie abstruse Systeme, an die keiner glaubt, die aber zeitweilig befolgt werden, wie Regeln eines Kartenspiels…
Jenseits erwiesener Gesetzmäßigkeiten (z. B. Newtons berühmter Apfelfall o. ä.) gibt es keine ›kosmischen‹ Gesetze. Im Großen Chaos sind unendlich viele Dinge/Aspekte; sie alle sind verschieden, aber an sich gleichwertig. Ein Gott gilt nicht mehr als z. B. ein Kaktus, außer man beschlösse vorübergehend, ihm einen bestimmten Wert
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