Pasdan
Navigator war ein flaumiger Ball mit verkümmerten Flügeln, die in siebenfingrigen Händen endeten; den Lademeister bezeichnete Barakuda insgeheim als Minotaurus; das größte Aufsehen in den Lokalen von Cadhras erregten drei gigantische Echsen, Renegaten oder Ausgestoßene aus der Ilithanischen Union. Der letzte Konflikt zwischen diesem Reich und dem Commonwealth lag acht Jahre zurück, aber der Friede war bestenfalls armiertes Mißtrauen, und auch in Cadhras kannte man die Geschichten. Ilithaner pflegten Gefangene zu zerreißen: lebendiger Proviant.
Mit dem Beginn des Winters fiel die ohnehin kurze Dämmerung am Äquator fast ganz aus; die Nächte wurden zunächst kühl, dann kalt. An einem dieser Abende fand Barakuda einen Teil von Bondaks Banditen im billigsten der Hotels an der Bucht. Kakoiannis, wie immer überaus adrett, spielte in einer Ecke 3-D-Schach mit einem der letzten Touristen. Die Band mit Emlyn Skudder am Klavier und Musikern aus Cadhras an Schlagzeug, Baß, Waschbrett, Banjo und Trompete machte höllischen Lärm. Zwischendurch begleiteten sie suldau Nardini, der heftig schlingerte und schielte, aber noch artikulieren konnte, bei Balladen von melancholischer Obszönität. Renes Heldentenor, normalerweise ohne jeden Rhythmus, klammerte sich förmlich um den Schlagzeuger. Karuka Katz, Lissa Escalante und Margo Vandamme, Profis der A-Kompanie, saßen mit der Korporalin Levon von der Ausbildungscenturia C ganz weit vorn und fuchtelten mit einem zum Knebel gedrehten Geschirrtuch; ihre Zwischenrufe gingen in der Musik unter.
Später trat eine Tänzerin auf. Barakuda versuchte an der Bar, sich mit einem Shil aus dem Hinterland zu unterhalten; vergeblich. Die Musik wurde immer wilder. Dante wußte nicht, ob der Tanz einen Namen hatte; die langbeinige Frau war unglaublich. Das hellblaue Haar flog, bildete Fächer, fing das Licht verschiedenfarbiger Lampen auf. Frauen und Männer johlten, klatschten und trampelten im Takt; der Boden bebte. Auf der Bar wanderten Gläser und Aschenbecher; an einem Tisch, wo scharf gespielt worden war, kippte lautlos ein Münzstapel um. Die Karten ruhten; sogar die fanatischen Würfler - zwei Shil-Fischer und drei Frauen aus der Garnison - starrten zur Tanzfläche. Es roch nach Körpern, Alkohol, Kaffee und Tabak; die schweißtriefenden Musiker beschleunigten noch einmal. Die Füße der Tänzerin waren nicht mehr zu sehen, das Kleid ein Flirren aus Silber. Sie tanzte neben dem Podest der Band, schien durch die hölzerne Wand schweben zu wollen.
Aus den Augenwinkeln sah Barakuda den baumlangen Soldaten Terence Learoyd, der sich mit einem Barhocker durch die Menge drängte und vielleicht zehn Meter von der Tänzerin entfernt aufbaute. Es klirrte; jemand reichte ihm Küchenmesser. Learoyd saß schwankend auf dem Schemel, wog eines der Messer in der Hand. Es bohrte sich links neben der Tänzerin in die Wand. Entweder hatte die Frau nichts gesehen oder sehr gute Nerven; sie tanzte weiter. Das zweite Messer. Rechts. Das dritte, wieder links. Stampfen und Johlen ließen nach. Das vierte Messer nagelte einen der weiten Ärmel der Bluse an die Holzwand. Mit einem Ruck befreite sich die Frau, tanzte. Der Ärmel, an der Schulter ausgerissen, baumelte an der Wand. Das fünfte Messer, der andere Ärmel. Mit einer eleganten Bewegung schüttelte die Frau den Rest der Bluse ab. Das sechste Messer heftete den hellen Rock an die Wand. In schneller Folge umgab Learoyd die Frau mit Messern, während sie sich aus dem Rock herausdrehte. Er blieb neben dem Podest hängen. Sie trug nur noch hochhackige Schuhe und einen hauchdünnen Slip aus schwarzen Spitzen. Sie warf den Kopf zurück, blickte zu den Musikern, hob die Hand, ließ sie sinken. Jähe Stille. Die Tänzerin streifte lächelnd die Spitzen ab, tänzelte vorwärts, knüllte den Stoff zusammen und warf ihn Learoyd zu. Er fing das Geschenk auf, küßte es, schwankte, rülpste und stürzte mitsamt dem Hocker um. Zwei Kameraden - der lange dürre Vlad Oubou und der schwarze Korporal Timoara - hoben ihn auf und trugen ihn hinaus.
Als die Tänzerin begriff, daß der Messerkünstler von Anfang an sinnlos betrunken gewesen war, taumelte sie rückwärts zur Wand, stand bleich zwischen Messern und Kleiderfetzen und schlug die Hände vors Gesicht. Barakuda bedauerte es, denn zuvor hatten ihre und seine Blicke sich mehrfach gekreuzt. Einer der Musiker warf ihr eine Decke zu; ein Fischer brachte ihr einen Becher. Sie nahm ihn in beide Hände und leerte
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