Pasdan
ausgespart. Dante schlief viel, erholte sich prächtig und machte einige längere Runden um das Lager der Fürsten. Es bestand aus etwa 300 Zelten mit insgesamt vielleicht 1000 Shil. Pferde und P’aodhus blieben sich selbst überlassen; mit den Hufen scharrten sie den leichten Schnee beiseite, um an das Gras zu kommen. Es gab keine Winterfütterung, und die Tiere waren entsprechend widerstandsfähig.
Am sechsten Tag fand man morgens die Reste eines gerissenen P’aodhu und Spuren eines Tahork. Vier Tage folgten Tremughati, Gortahork, Barakuda und einige Begleiter dem Bären, konnten ihn jedoch nicht stellen.
»Der vierte Bär muß warten«, sagte Dante, als sie nach der Rückkehr wieder im Fürstenzelt saßen.
Bei Gortahorks Geburt hatte seine Mutter aus dem Zelt gesehen und drei Bären erblickt. Die Tahorks waren in der Regel Einzelgänger, deshalb war die Dreiergruppe ein außerordentliches Ereignis, und der neugeborene Junge bekam den Namen Drei-Bären.
Der Fürst hielt die leere Rumflasche hoch, schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck Tee. »Es gibt so viele Dinge, die warten müssen. Da kommt es auf einen Bären mehr oder weniger nicht an.«
»Es kommt auf viele Dinge nicht an«, sagte Tremughati. »Außerdem ändert es nichts. Wie Saravyi sagt: Das Leben ist lang und breit; da kann man bisweilen auf Höhe und Tiefe verzichten.«
Dante lehnte sich gegen den Fellstapel. »Wer ist dieser Saravyi, den ihr dauernd zitiert? Seit Jahren höre ich immer wieder den Namen, aber ich weiß nichts über ihn.«
Gortahork verzog das Gesicht. »Auch ich weiß nicht viel. Niemand weiß das.«
Tremughati blickte ihn verweisend an; die Winkel ihres vollen Munds bogen sich abwärts. »Unser Freund will nicht wissen, was du nicht weißt, sondern was du sagen kannst.«
Gortahork ließ sich aus dem Sitzen in eine Seitenlage fallen, stützte sich auf einen Ellenbogen und schloß die Augen. »Als der Vorgänger meines Vorgängers starb, vor sechzig Jahren, kamen die Heiler und Häupter zusammen, um den neuen Fürsten zu wählen. Ihre Wahl fiel auf Saravyi. Er war damals zwanzig Jahre alt, und der älteste Heiler konnte ihn nichts mehr lehren. Es heißt« - der Fürst öffnete die Augen und blinzelte zu Tremughati hinüber -, »daß er alle Männer und Frauen so weit übertraf wie später Tremughati alle Frauen und Männer. Saravyi lehnte die Wahl ab; er wollte, sagte er, über Shilgat reiten, die Spuren der Vergangenheit erforschen und der einen oder anderen Zukunft vorbeugen. Also wurde ein anderer Fürst gewählt. Seither gilt Saravyis Wort, wo immer er auftaucht, mehr als das der Fürsten.«
»Was ist das mit der Vergangenheit und der Zukunft?«
Gortahork schwieg; Tremughati starrte ins Feuer und sagte leise: »Du weißt, Bruder, daß wir vor Jahrtausenden eurer und unserer Rechnung Städte und fliegende Wagen hatten, wie ihr. Wir haben sie aufgegeben, weil sie die Aspekte des Chaos unerträglich vermehrten. Der Tod ist schneller als die schnellste Flugmaschine, und wer langsam lebt, lebt gründlicher. Auch ein Satz von Saravyi.« Sie lächelte versonnen. »Der alte Mann hatte gewisse Befürchtungen, was zum Beispiel die Tödlichen Mütter angeht. Deshalb wollte er in der Vergangenheit Mittel suchen, um einer künftigen Bedrohung zu begegnen. Er ist eine Art Hüter der Shil.«
Gortahork sprach weiter. »Du weißt, daß die Fürsten unabhängig voneinander gewählt werden? Der alte Fürst, mein Vorgänger, war ein Gargava aus dem Süden der Steppe; die alte Fürstin eine Frau der Loya am Oberlauf des Golzain. Sie haben einander nie gesehen. Als die alte Fürstin starb, vor dreiundzwanzig Jahren, haben die Häupter und Heiler Tremughati gewählt. Saravyi war dafür; er hat damals bedauert, daß er nicht mehr jung genug war…«
Tremughati warf ihm einen schrägen Blick zu.
»Vier Jahre später starb mein Vorgänger, der alte Fürst. Es gab eine Reihe von möglichen Nachfolgern, aber keinen herausragenden Kandidaten.«
Gortahork sprach ohne jede Bitterkeit. Tremughati streckte die Hand aus und legte sie auf die Hüfte des Fürsten.
»Der unbegreifliche Zufall, die Essenz des Großen Chaos, hatte dafür gesorgt, daß sich die Fürstin in einen jungen Jäger verliebte, dessen Mutter einmal drei Bären sah. Als der neue Fürst gewählt werden sollte, erschien wieder einmal Saravyi. Niemand weiß, wo er gewesen war. Er sagte, die Fürstin Tremughati sei allen Kandidaten so weit überlegen, daß man ebensogut einen zum
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