Passagier nach Frankfurt
stattfanden, in einer Fußballmenge oder bei den Superdemonstrationen, die losmarschieren, um Botschaften, die Polizei, Universitäten und alles Übrige anzugreifen. Sie hatte ihn dort hingebracht, um ihm die Bedeutung des Begriffs ‹Jung-Siegfried› zu demonstrieren.
Franz Joseph, wenn das denn sein wirklicher Name war, hatte zur Menge gesprochen. Seine Stimme hob und senkte sich, auf merkwürdig erregende Weise. Ihre emotionale Anziehungskraft hatte diese stöhnende, fast jammernde Menge junger Frauen und Männer in Bann gehalten. Jedes Wort, das er äußerte, schien bedeutungsschwer und hatte eine unglaubliche Überzeugungskraft. Die Menge hatte reagiert wie ein Orchester. Seine Stimme war der Dirigentenstab. Und doch, was hatte der Junge eigentlich gesagt? Was war Jung-Siegfrieds Botschaft? Als es zu Ende war, konnte Stafford Nye sich an kein Wort erinnern. Aber er wusste, dass der Redner sehr bewegt gewesen war, Dinge versprochen hatte, in enthusiastische Erregung geraten war. Nun war es vorüber. Die Menge war auf dem Felsplateau umhergewankt, rufend, schreiend. Einige Mädchen schrieen vor Begeisterung. Andere waren in Ohnmacht gefallen. Was war das für eine Welt heutzutage?, dachte er. Alles war nur darauf angelegt, Emotionen zu erwecken. Disziplin? Zurückhaltung? Keines dieser Dinge zählte mehr auch nur das geringste. Nichts war wichtig, außer zu fühlen.
Welche Welt konnte man damit erschaffen?
Seine Führerin berührte ihn am Arm, und sie lösten sich aus der Menge. Sie fanden ihren Wagen, und der Fahrer brachte sie auf ihm offensichtlich wohlbekannten Wegen in eine Stadt, zu einem Gasthaus am Berghang, wo Zimmer für sie reserviert waren.
Später verließen sie das Gasthaus und spazierten auf einem ausgetrampelten Pfad den Berghang hinauf bis zu einer Bank. Dort sagte Stafford wieder: «Alles aus Pappe.»
Für etwa fünf Minuten saßen sie da und schauten ins Tal hinunter, dann fragte Renata: «Nun?»
«Was fragen sie mich denn?»
«Was Sie von dem, was ich Ihnen bisher gezeigt habe, halten.»
«Ich bin nicht überzeugt», sagte Stafford Nye. Sie gab einen Seufzer von sich, einen unerwartet tiefen Seufzer.
«Ich hatte gehofft, dass Sie das sagen würden.»
«Nichts davon ist wahr, oder? Es ist alles eine gigantische Show, von einem Regisseur veranstaltet – einer ganzen Gruppe von Regisseuren womöglich.»
«Diese monströse Frau engagiert den Regisseur, sie bezahlt ihn. Wir haben den Regisseur nicht zu Gesicht bekommen. Heute haben wir nur den Star-Schauspieler gesehen. Was halten Sie von ihm?»
«Auch er ist nicht real», sagte Stafford Nye. «Er ist nur ein Schauspieler, ein erstklassiger Schauspieler, hervorragend inszeniert.»
Renata lachte überraschend. Sie stand von ihrem Sitzplatz auf. Plötzlich sah sie aufgeregt aus und sagte leicht ironisch: «Ich habe gewusst, dass Sie es merken würden. Ich wusste, dass Sie mit beiden Beinen auf der Erde bleiben. Sie waren sich immer sicher, bei allem, was Ihnen im Leben begegnet ist. Sie haben den Schwindel durchschaut, haben immer alles und jeden als das erkannt, was sie wirklich waren.
Nicht nötig, nach Stratford zu fahren und sich Shakespeare anzusehen, um zu wissen, für welche Rolle Sie zu besetzen sind – Könige und große Herren müssen einen Narren haben – einen Hofnarren, der dem König die Wahrheit sagt und Klartext mit ihm redet, sich über all die Dinge lustig macht, von denen andere sich blenden lassen.»
«Das bin ich also, ein Hofnarr?»
«Empfinden Sie das nicht selbst so? Genau das wollen wir. Das ist es, was wir brauchen. ‹Pappe› haben Sie gesagt. Eine riesige, wohlinszenierte, wunderbare Show. Und wie recht Sie haben! Aber die Menschen lassen sich übertölpeln. Sie glauben, es ist etwas Wundervolles, oder sie halten es für teuflisch, oder sie glauben, es ist unheimlich wichtig. Natürlich ist es das nicht – man muss nur herausfinden, wie man es den Leuten beibringt, dass die ganze Sache einfach nur albern ist, nur verdammt albern. Das werden Sie und ich tun.»
«Ist das Ihre Idee, dass wir das Ganze am Ende entlarven?»
«Ich gebe zu, es scheint nicht im Entferntesten möglich, aber wenn die Menschen erst einmal erkennen, dass etwas nicht wahr ist, dass es nur ein einziger riesengroßer Schabernack ist – nun…»
«Wollen Sie eine Predigt über die Vernunft halten?», fragte er.
«Natürlich nicht», sagte Renata, «niemand würde zuhören, oder?»
«Im Augenblick wohl nicht.»
«Nein, wir
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