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Passagier nach Frankfurt

Passagier nach Frankfurt

Titel: Passagier nach Frankfurt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Truppe. Streitkräfte aus jungen Männern und Frauen, die gedrillt und ausgebildet werden. Es gibt enorme Waffenlager – chemische Kampfmittel.»
    «Ein Albtraum! Woher wissen Sie das alles, Renata?»
    «Zum einen, weil es mir zugetragen wurde; aus Informationen, die ich erhalten habe, zum anderen, weil ich aktiv nach den Beweisen gesucht habe.»
    «Aber Sie? Sie und diese Leute da?»
    «Meist steckt irgendetwas völlig Idiotisches hinter allen großartigen und umfassenden Projekten.» Sie lachte plötzlich. «Sehen Sie, sie war einmal in meinen Großvater verliebt. Eine lächerliche Geschichte. Er lebte hier in dieser Gegend. Er besaß ein Schloss ein oder zwei Meilen von hier.»
    «War er ein besonders genialer Mann?»
    «Überhaupt nicht. Er war nur ein ausgezeichneter Sportler. Gut aussehend, maßlos und attraktiv für Frauen. Und aus diesem Grunde ist sie in gewissem Sinne meine Beschützerin. Und ich bin eine von ihren Konvertitinnen, ihren Sklavinnen! Ich arbeite für sie. Ich finde Leute für sie. Ich führe in verschiedenen Teilen der Welt ihre Befehle aus.»
    «Tun Sie das?»
    «Was soll das heißen?»
    «Ich verstehe Sie nicht ganz.»
    Er sah Renata an und dachte wieder an den Flughafen. Er arbeitete für Renata, er arbeitete mit Renata. Sie hatte ihn auf dieses Schloss gebracht. Wer hatte ihr gesagt, sie solle ihn hierherbringen? Die große, feiste Charlotte, die da mitten in ihrem Spinnennetz saß? Er hatte in bestimmten diplomatischen Kreisen den Ruf gehabt, unzuverlässig zu sein. Er konnte diesen Leuten jetzt vielleicht von Nutzen sein, auf eine niedere und ziemlich demütigende Weise. Und plötzlich dachte er quasi in einem Nebel von Fragezeichen: Auf welcher Seite steht Renata??? Ich bin mit ihr ein Risiko eingegangen am Frankfurter Flughafen. Aber das war richtig so. Es hat funktioniert. Mir ist nichts passiert. Und doch, dachte er, wer ist sie? Was ist sie? Ich weiß es nicht. Ich kann nicht sicher sein. Heute kann man sich auf niemanden verlassen, auf der ganzen Welt nicht. Auf überhaupt niemand. Sie wurde vielleicht angewiesen, mich einzufangen. Mich in der hohlen Hand zu halten, also könnte die ganze Geschichte in Frankfurt geschickt inszeniert worden sein. Das passte zu meinem Hang zum Risiko und würde mich ihrer sicher machen. Mich veranlassen, ihr Vertrauen zu schenken.
    «Lassen sie uns noch mal traben», sagte sie. «Wir haben die Pferde zu lange im Schritt gehen lassen.»
    «Ich habe Sie noch nicht gefragt, wo Sie in dieser ganzen Geschichte stehen.»
    «Ich nehme Befehle entgegen.»
    «Von wem?»
    «Es gibt eine Opposition. Es gibt immer eine Opposition. Es gibt Menschen, denen das, was da vor sich geht, verdächtig erscheint. Auf welche Weise die Welt verändert werden soll, wie das stattfinden soll mit Kapital, Reichtum, Waffen, Idealismus, großen, machtvoll tönenden Worten. Es gibt Menschen, die sagen, das darf nicht geschehen.»
    «Und Sie gehören dazu?»
    «Das sage ich jetzt so.»
    «Wie meinen Sie das, Renata?»
    «Ich behaupte es.»
    Er sagte: «Dieser junge Mann gestern Abend –»
    «Franz Joseph?»
    «Heißt er so?»
    «Er ist jedenfalls unter diesem Namen bekannt.»
    «Aber er hat sicher noch einen anderen Namen?»
    «Glauben Sie?»
    «Er ist doch nicht etwa Jung-Siegfried?»
    «Haben Sie ihn als das betrachtet? Sie haben ihn als das erkannt, wofür er steht?»
    «Ich glaube schon. Die Jugend. Die heldenhafte Jugend, die arische Jugend, es muss arische Jugend sein hierzulande. Diese Haltung gibt es immer noch. Eine Herrenrasse, die Supermänner. Sie müssen arischer Abstammung sein.»
    «Oh ja. Das hat die Hitlerzeit überstanden. Es tritt nicht immer so offen zutage, und in anderen Teilen der Welt wird es nicht so sehr betont. Südamerika, wie ich schon sagte, ist eine der Bastionen. Und Peru, auch Südafrika.»
    «Was macht Jung-Siegfried eigentlich? Was macht er, außer gut auszusehen und die Hand seiner Beschützerin zu küssen?»
    «Oh, er ist ein sehr guter Redner. Er spricht, und seine Anhänger folgen ihm bis in den Tod.»
    «Ist das wahr?»
    «Er glaubt es jedenfalls.»
    «Und Sie?»
    «Ich denke, ich könnte es auch glauben.» Sie fügte hinzu. «Rhetorik ist sehr beängstigend, wissen Sie. Was eine Stimme bewirken kann, was Worte ausrichten können, und es müssen noch nicht einmal besonders überzeugende Worte sein. Nur die Art, wie sie vorgetragen werden. Seine Stimme tönt wie eine Glocke und die Frauen weinen und schreien und fallen in Ohnmacht, wenn er

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