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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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Statuen-Menschen, Straßenmaler, Jongleure, Breakdancer und viele andere tummeln sich hier. Eigentlich ist für so eine Kleinstadt mächtig was los. Heute zeichnet nur ein älterer Herr Karikaturen und ein Typ jongliert. Dann nimmt der Jongleur zwei farbige Säckchen mit Drachenschwänzen hoch, die an Schnüren befestigt sind. Er beginnt diese durch die Luft zu wirbeln und sich dazu zu bewegen. Die bunten Schwänze tanzen durch die Luft, bringen sie zum Vibrieren. Ich sehe genauer hin und erkenne den Jungen, den ich gestern Nacht getroffen habe. Neben ihm steht sein Rucksack, Schatten unter seinen Augen. Er wirkt müde. Aber dann werden seine Bewegungen wilder, er verbiegt sich und sein Körper wird zusammen mit den wirbelnden Säckchen zum Tanz. Ich kann nicht anders, muss einfach stehen bleiben und ihm zusehen. Anscheinend bin ich nicht die Einzige. Eine Menschentraube sammelt sich vor ihm. Plötzlich hält er inne, erstarrt. Um kurz darauf, wie in Zeitlupe, wieder weiterzumachen. Dann steigert er sich langsam, wird schneller und schneller. Irgendwann wirbelt alles und bleibt dann wie in der Luftstehen, kurz darauf sackt er zusammen, um gleich wieder aufzuspringen und sich zu verbeugen. Dabei greift er nach dem Hut, der vor ihm steht, und ist damit schon unterwegs von einem Zuschauer zum nächsten. Ich greife in meine Tasche, habe natürlich kein Geld bei mir. Aber irgendwas hält mich zurück, hindert mich daran, mich zu verdrücken. Ich kann ihn nicht aus den Augen lassen. Er scheint es bemerkt zu haben, zwinkert. Aber doch nicht wegen mir? Ich habe keine Gelegenheit, das rauszufinden, weil sich zwischen uns ein dicker Mann mit Sommersprossen auf der Glatze schiebt. Er riecht nach einer Schweiß-Knoblauch-Mischung. Dieser Geruch löst meine Starre. Ich fühle mich seltsam, ein wenig, als wenn ich nicht wirklich da wäre, als hätte ich keinen Körper. Die Sonne geht im See unter, glitzernd, rotgolden.
    Zu Hause gehe ich auf Facebook. Keine neuen Meldungen. Ich merke, dass es bereits dunkel wird. Aber irgendwie habe ich keine Lust, meine Lampe einzuschalten. Der Himmel ist rosa gestreift. Noch immer fühle ich mich seltsam. Ein wenig freier vielleicht, so, als wäre es doch nicht das Ende der Welt, wenn Romi Mario spielt. Sie muss es einfach sein.
    Da sehe ich, dass er, wer immer er ist, online ist. Ohne nachzudenken, tippe ich auf seinen Namen in meinem Kontaktfeld.
    Sofie: Hallo.
    tippe ich. Dann drücke ich schnell auf Enter , bevor ich es mir anders überlege. Nichts. Ich starre auf mein Chatfeld und warte. Plötzlich erscheint doch etwas .
    Mario: Hallo, meine Liebste.
    Sofie: Wer bist du?
    Mario: Mario natürlich.
    Sofie: Aber wer?
    Mario: Sag mal, Sofie, geht’s dir nicht gut? Oder hat sich jemand unter deinem Namen eingeloggt?
    Ich starre auf die Buchstaben. Und verstehe überhaupt nichts mehr. Es kommt mir vor, als sei ich in einem seltsamen Traum gefangen. Es ist doch genau umgekehrt. Jemand hat sich unter Marios Namen eingeloggt. Gänsehaut in meinem Nacken.
    Mario: Sofie? Süße?
    Ich blinzle. Die Buchstaben sind wirklich da. Plötzlich habe ich das Gefühl, dass jemand in der Nähe ist, mich beobachtet. Draußen ist es jetzt ganz dunkel, die Streifen am Himmel sind verschwunden.
    Ich stehe auf, gehe zum Fenster. Niemand. Die Straße ist leer, bis auf einen Hund, der an einen Laternenmast pinkelt. Schnell ziehe ich den Vorhangzu, knipse die Schreibtischlampe an. Die Schrift ist immer noch da.
    Mario: Bist du noch da?
    Nachdenken. Okay, erst mal ein Platzfüller.
    Sofie: Musste zur Toilette. Alles okay bei dir?
    Nichts. Der Cursor blinkt. Ich brauche dringend eine Strategie. Vielleicht kann ich denjenigen irgendwie überführen? Oder aber ich spiele mit. Ich tue so, als wäre ich der Meinung, ich würde wirklich mit Mario chatten. Und dann, wenn der andere mich auslachen will, sage ich einfach, ich hätte gemeint, es handelt sich wirklich um Mario. Schließlich kann niemand beweisen, dass er nicht existiert.
    Sofie: Danke für das wunderschöne Gedicht.
    Mal sehen, was passiert.
    Mario: Gerne geschehen. Ich vermisse dich wirklich sehr. Hattest du einen schönen Tag?
    Sofie: Ganz okay, nichts Besonderes. Und deiner?
    Mario: Ich vermisse dein Lachen, dein Grübchen neben dem linken Mundwinkel.
    Es muss also jemand sein, der mich ziemlich gut kennt. Also wirklich Romi. Aber ob die weiß, wo genau meine Grübchen sind? Vielleicht doch jemand anders aus der Clique? Jemand, der nicht zum harten Kern gehört

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