Passwort in dein Leben
hat Schweißflecken unter den Armen und seine Stirn glänzt. Ralf dagegen scheint nichts von der Hitze zu spüren, obwohl er lange Hosen trägt und dazu ein T-Shirt, das eine ähnliche Farbe hat wie seine Arme.
»Meinst du, er sieht menschlicher aus, wenn seine Arme ein wenig bräuner sind?«, meint Clara.
Ich grinse. »Komm, so blöd ist er auch wieder nicht. Wenigstens hast du einen Bruder und keine Schwester, mit der du ständig verglichen wirst.«
Sie verdreht die Augen. »Ich hätte gerne einen richtigen großen Bruder, so einen wie Hannes.«
Hannes war jahrelang unser Pfadileiter und Clara hat heimlich für ihn geschwärmt, seit sie sieben ist oder so. Im Frühling hat er geheiratet, eine richtige Tussi, wie Clara findet. Aber ich denke, sie ist nur eifersüchtig, weil seine Frau so gut aussieht und Schauspielerin am Stadttheater ist.
»Ach komm«, sage ich, »so übel ist Ralf doch gar nicht, fällt doch fast gar nicht auf zwischen den schlammfarbenen Wänden im Esszimmer.«
Sie kichert.
Und irgendwie bringt mich das auf verrückte Gedanken.
»Meinst du, die beiden sind schwul?«
Sie zuckt grinsend die Achseln und verzieht dann das Gesicht. »Iiiiihhh.«
»Hast du plötzlich was gegen Schwule?«
»Natürlich nicht!« Empört sieht sie mich an. »Ich möchte mir nur die beiden zusammen wirklich nicht vorstellen.« Ich kichere. »Weißt du was? Wir testen mal!«
Sie starrt mich mit großen Augen an. »Sag mal, spinnst du?«
»Ist doch nichts dabei.« Ich zucke cool die Achseln. »Nur ein wenig Spaß.«
»Aber …«
»Komm, sei kein Frosch«, sage ich. Normalerweise ist sie immer die Mutigere und sagt solche Sachen zu mir.
»Das ist doch doof.«
»Wir ziehen uns kurze Sachen an und vor ihnen ziehenwir alles aus bis auf ein Bikinihöschen und rennen dann zum See runter«, schlage ich vor.
Sie zeigt mir den Vogel.
»Traust du dich etwa nicht?« Ich sehe sie herausfordernd an.
Clara verdreht wieder die Augen. »Für was soll das denn gut sein?«
»Wenn sie sabbern«, behaupte ich, »dann sind sie nicht schwul.«
»Eigentlich ist mir das ganz egal.«
Aber sie macht trotzdem mit.
Und es ist ziemlich deutlich, dass die beiden nicht schwul sind. Die Augen fallen ihnen beinahe aus dem Kopf und ich fühle mich wie eine Figur in einem Film, als wir zum See hinunterrennen und meine Haare hinter mir herwehen. Ich bin plötzlich nicht mehr ich selbst, sondern anders, erwachsener, cooler und völlig frei.
Clara kichert und bespritzt mich mit Wasser.
»Jetzt brauchst du keine Fantasien über die beiden mehr zu haben«, sage ich.
Sie taucht mich unter. Kühles Wasser rinnt mir in die Nase. Ich sehe die Steine am Grund des Sees und eine Sandale, die jemand verloren hat.
Als ich wieder nach oben komme, glotzt uns Erwin noch immer an.
»Und jetzt setzen wir uns zu ihnen«, meine ich.
Kopfschüttelnd kommt sie hinter mir her und bespritzt mich dabei mit dem Wasser aus ihren Haaren.
Ich breite cool mein Handtuch neben ihnen aus und lege mich darauf in Pose. Clara schlingt sich ihres um die Schultern und verdeckt so ihre Brüste.
Während Erwin mich direkt anglotzt, sieht Ralf immer wieder weg.
»Wow«, stottert Erwin, »wow, wow, wow.«
Plötzlich muss ich daran denken, dass er sich mich nun vielleicht abends, wenn er alleine im Bett liegt, vorstellt. Da finde ich meine Idee doch nicht mehr so toll.
»Komm«, sage ich zu Clara und schlinge mir das Handtuch um, das so riesig ist, dass es alles, bis auf meine Füße, verdeckt.
Mein Mund zieht sich zusammen von all der Schärfe. Plötzlich ist mir übel. Ich spucke das Bonbon in hohem Bogen über die Mauer in den See. Es spritzt sogar ein wenig. Lautlos.
Aber irgendwie ist mein Kopf nun ein wenig klarer. Eigentlich kann wirklich nur Romi hinter allem stecken. Wie die es allerdings geschafft hat, in meinen Account zu kommen, ist mir völlig schleierhaft. Vielleicht hat sie ja einen Computerfreak zum Bruder oder so was? Was mache ich nur?
Am Hafen ist noch ganz schön was los, obwohl es schon Herbst ist. Touristen spazieren an der Mauer entlang, manche sitzen auch in Jacken gehüllt auf den Stühlen vor den Cafés, wo die Besitzer ein paarGaswärmelampen aufgestellt haben. Eine Gruppe französischer Touristen fotografiert sich gegenseitig mit dem Löwen im Hintergrund. Ein paar Vögel schreien und der Motor eines Autos heult auf. Die Straßenkünstler sind weniger geworden. Im Sommer ist immer die gesamte Uferpromenade voll. Zauberer, Clowns,
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