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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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Zimmer hin und her zu laufen. Das ist eindeutig nicht normal. Ich zwinge mich, mich hinzusetzen. Aber wenn mich nun jemand beobachtet, müsste derjenige doch mitkriegen, wenn ich plötzlich zwei Leute bin? Ich könnte natürlich meine Eltern fragen. Aber die halten sicher schon die Frage für verrückt. Und eigentlich ist sie das auch. Ich bin nicht verrückt. Jemand spielt mir hier einen saudoofen Streich. Das ist alles. Ich muss denjenigen einfach finden und alles ist wieder normal …
    Ich lehne meinen Kopf an die Wand. Sie ist rau und kühl. Ich merke, wie meine Augen feucht werden. Einfach zu viel. Alles zu viel. Ich rolle mich zusammen wie ein Baby. Weg sein. Einfach nur weg sein.
    »Meine Eltern mögen Maren viel lieber …«, sage ich und kaue an meiner Haarsträhne. Meine Mutter hat das verboten. Weil mein Haar dann zusammenklebt und eklig wird. Papa meint, sie soll es einfach abschneiden, aber Mama will nicht, weil ich dann eine seltsame Frisur habe. Sie bindet es mir deshalb immer zu einem Zopf zusammen. Aber mein Haar ist so dünn, dass es sich ständig wieder aus dem Gummiband löst.
    Clara zuckt nur die Achseln.
    »Maren macht immer alles richtig«, sage ich und denke daran, wie meine Schwester gelobt wird, weil sie nie die Hausaufgaben vergisst und Klassenbeste ist. Meine Lehrerin hat meine Mutter dagegen eingeladen, um ihr zu sagen, dass sie meine Aufgaben genauer kontrollieren soll. Seitdem muss ich jeden Tag mit Mama und Maren doofe Einmaleinsspiele machen. Ich verstehe nicht einmal, warum diese langweiligen Übungen Spiel genannt werden. Vermutlich nur, weil jemand dabei gewinnen kann. Wenn eine Zahl in einer der Reihen vorkommt, darf man sie nicht nennen, sondern muss »Hip« sagen. Saudumm, so was. Immer wenn ich es falsch mache, klopft Mama mir auf den Hinterkopf und sagt: »Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen.«
    »Meine Mama wollte mich sogar zu einem Psychologen bringen«, sage ich.
    Jetzt hört Clara doch auf, auf ihrem Schreibtisch rumzukritzeln, und sieht mich an. »Warum das denn?«, fragt sie.
    »Gestern habe ich ihr gesagt, dass ich mir die Zahlen gar nicht merken will, weil mein Kopf doch nur eine bestimmte Größe hat und ich Platz darin brauche für wichtigere Sachen als Zahlen«, erkläre ich.
    Clara lacht.
    »Das ist nicht witzig«, sage ich.
    »Man kann die Größe vom Kopf erweitern«, behauptet Clara. »Bei mir passen die Zahlen doch auch rein.«
    Clara hat gut reden. Sie ist gut, auch wenn sie gar nicht lernt. Obwohl sie in der Schule auch nicht aufpasst.
    »Glaub ich nicht.«
    »Ach«, sagt sie, »ist doch egal. Mit Maren möchtest du sicher nicht den Kopf tauschen. Da ist doch nur langweiliges Zeugs drin.«
    Sie hat recht. Plötzlich geht es mir besser, weil Clara mich mag, mich nicht langweilig findet und ausgerechnet ich ihre beste Freundin sein darf.
    Wie konnte ich eigentlich nur wegen diesem doofen Schiff unsere Freundschaft so wegwerfen? Wie konnte das passieren? Kann es wirklich sein, dass sie für immer vorbei ist? Eigentlich kann es gar nicht mehr schlimmer werden. Egal, was ich mache.
    An: [email protected]
    Betreff: Hmhm
    Von: [email protected]
    Hallo Clara,
    bist du wieder da? Ich hoffe, es war supertoll …
    Eigentlich wollte ich nur sagen: Ich finde es saudumm, dass wir keine Freundinnen mehr sind. Kann doch nicht einfach alles so weg sein, oder? Es tut mir auf jeden Fall total leid, dass ich mit Julia rumgezogen bin, nur weil ich so sauer war, dass du weggefahren bist, obwohl ich nicht mitkonnte. Meinst du, es lässt sich noch was retten?
    Sofie
    »Besuch für dich!« Meine Mutter hämmert gegen die Zimmertür.
    Ich fahre in die Höhe.
    Sonnenstrahlen auf meiner Nase. Ich habe vergessen, die Vorhänge zuzumachen.
    Meine Mutter ist hereingekommen, steht dicht neben meinem Bett. »Clara«, flüstert sie. »Ich hab ihr gesagt, sie soll draußen warten.«
    »Warum?«, murmle ich.
    Sie reagiert nicht.
    »Am besten, du ziehst dich schnell an und redest kurz mal mit ihr.«
    Mit einem Mal bin ich hellwach, weil Clara noch immer der einzige Mensch ist, den ich jetzt sehen will.Clara sitzt auf dem Tonnenhäuschen, das zwischen unseren Reihenhäusern steht. Mit den Füßen klopft sie einen Rhythmus auf das Metall. Sie bemerkt mich nicht. Ich gehe plötzlich langsamer, sehe sie genau an, die neue Frisur, das neue Shirt, sogar die Hose könnte neu sein. Ist das überhaupt noch die Clara, die ich kenne? Oder jemand ganz anderer? Sie

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