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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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Mitte durch. »Eine Gruppe begeisterter Touristen.«
    Ich nehme das Stück, das er mir entgegenhält. Dabei berühren sich unsere Finger kurz. Seine fühlen sich ganz warm an.
    »Warum machst du das eigentlich?«, frage ich.
    »Was?« Er kaut.
    »Na, das Feuer… wie sagt man?«
    »Es macht mir Spaß und ich bin gut darin«, meint er und schleckt sich einen Brösel von der Lippe.
    »Wohnst du hier?«
    Er nickt. »Gerade schon.«
    Stille. Marco nimmt einen großen Schluck Kakao, reicht ihn mir. Normalerweise ekle ich mich davor, mit anderen aus der gleichen Flasche zu trinken. Diesmal komischerweise nicht.
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wie fragt man jemanden, ob er kein Zuhause hat? Im Gebüsch schläft?
    »Und du?«, fragt er. »Keine Schule?«
    Ich schlucke.
    »Du schwänzt«, sagt Marco, total sachlich.
    »Ja. Ich … Ich kann grad nicht hin«, plappere ich.
    »Ärger?«
    Ich weiß selbst nicht, warum, aber ich erzähle ihm die ganze Geschichte. Vielleicht einfach, weil sie irgendwie rausmuss, weil ich sonst das Gefühl habe, zu ersticken. Ich spiele das Ende der Beziehung mit David ein wenig herunter, wie mich das verletzt hat,sage, ich hätte einfach so aus Witz und Langeweile einen Freund erfunden, der dann »lebendig« geworden ist. Als ich von den fiesen Posts über meinen Account erzähle, schüttelt er den Kopf.
    »Das ist echt scheiße«, sagt er. »Hast du irgendwelche Feinde?«
    Ich denke nach. Mein Kopf ist völlig leer.
    Ich habe keine Feinde. Oder hatte zumindest keine, bevor das hier losging.
    Ich schüttle den Kopf.
    »Gibt's da wirklich niemanden? Zum Beispiel jemand, dem du gefällst und von dem du nichts wissen willst? Aus Eifersucht machen Menschen manchmal ganz schön verrückte Sachen.«
    »Erst habe ich an Romi gedacht. Die konnte mich noch nie leiden. Aber ich glaube, sie würde nie was Fieses über sich selbst posten.«
    »Könnte ein Tarnmanöver sein«, überlegt Marco, sieht aber nicht wirklich überzeugt aus. »Kennt sie sich mit Computern aus?«
    »Eher mit Nagellack«, sage ich, »da müsste ihr wer geholfen haben …«
    Er grinst ein wenig. Vermutlich kennt er solche Mädchen, scheint mir aber nicht der Typ zu sein, der auf so was steht.
    Jemand, von dem ich nichts wissen will … Ich gehe alle Jungs durch, die ich kenne. Bisher waren noch nicht viele ausgiebig an mir interessiert. Erwin. Erwin kennt sich mit Computern aus. Er wusste mein Passwort, beziehungsweise hat es sofort erraten.
    »Erwin«, sage ich leise. »Der steht auf mich …«
    »Vielleicht kannst du ihm eine Falle stellen?«, überlegt Marco »Und so herausfinden, ob er dahintersteckt?«
    »Hm«, mache ich. »Clara und ich haben versucht, dahinterzukommen. Clara ist meine Freundin, aber die ist grad frisch verliebt und irgendwie …«
    Er nickt, als wüsste er über Frischverliebte Bescheid. Vermutlich tut er das auch.
    »Außerdem haben wir uns am Telefon gestritten, ich habe einfach aufgelegt.« Irgendwie kommt mir das plötzlich lächerlich vor. Ich meine, was ist dieser Minikrach gegen das, was zuvor war. Und selbst das hat unsere Freundschaft überlebt.
    »Ich rede mal mit ihr«, sage ich.
    »Tu das«, sagt er und knüllt die leere Tüte zu einem Ball zusammen, zielt damit auf den Abfalleimer. Und trifft.
    Komischerweise ist da plötzlich so ein seltsames Gefühl in meiner Magengegend. Ich hätte mir gewünscht, dass er seine Hilfe anbietet, dass es irgendwas gibt, was uns verbindet. Aber er steht einfach so auf. Mit einem Mal habe ich Angst, dass er verschwindet.
    »Morgenspaziergang«, sagt er, »kommst du noch ein Stück mit?«
    Das seltsame Gefühl ist verschwunden.
    Wir wandern direkt am Ufer entlang. Dabei reden wir gar nicht viel. Nur ab und zu sagen wir uns gegenseitig, was wir sehen, hören oder riechen. Zum Beispiel ein schönes Stück Schwemmholz, der Geruch von zerriebenem Herbstlaub oder eine besondere Wellenformation. Es ist irgendwie unwirklich. Ein wenig, wie ein Stück gestohlene Zeit mitten in einem Albtraum.
    Als die Privatstrände mit ihren Zäunen anfangen, hüpfen wir über die Steine dicht am Ufer. Irgendwann geht es gar nicht mehr weiter. Jemand hat seinen Zaun bis weit in den See hineingebaut. Marco zieht seine Schuhe aus. Ich mache es ihm nach, obwohl die Steine eiskalt und glitschig sind. Ich tauche die Zehen ins Wasser und habe das Gefühl, zu schrumpfen, richtig in mich zusammenzusinken, so kalt ist es. Marco grinst und nimmt meine Hand. Da ist mir die Kälte plötzlich fast

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