Passwort in dein Leben
ja recht«, sagt mein Vater. »Wichtig ist doch jetzt, dass Sofie wieder geglaubt wird, dass niemand denkt, sie wäre durchgedreht, nur wegen diesem Jüngelchen …«
Hab ich's doch gewusst. Er hat David nie leiden können.
»Okay. Wenn die Sache allerdings bis morgen Abend nicht geklärt ist, gehen wir sofort zur Polizei«, sagt meine Mutter mit fester Stimme. »Außerdem gehst du natürlich morgen wieder zur Schule. Schwänzen macht verdächtig.«
Ich schlucke, kann mir einfach nicht vorstellen, zur Schule zu gehen, wenn alle denken, ich wäre es gewesen.
»Ich verlasse mich darauf. Wir können ja gemeinsam hinfahren, ich nehme dich im Auto mit«, erklärt meine Mutter und steht auf, geht in die Küche.
Ich verzichte auf das Mittagessen und mache mich sofort auf den Weg zu Clara.
Dafür packe ich mich extra dick ein und fahre mit dem Rad. Einfach, um die Chance zu verkleinern, dass mich jemand erkennt. Dabei sind die Wolken fast ganz weg, der Himmel ist blau und die Sonne scheint. Sie hat noch eine ganz schöne Kraft für diese Jahreszeit.
Als ich bei Clara klingle, passiert eine ganze Weile nichts. Dann öffnet ausgerechnet ihr Bruder Ralf. Als er mich sieht, zeigt sich eine Art angedeutetes Lächeln auf seinen Lippen. Vermutlich freut er sich, dass mich keiner mehr leiden kann, weil er noch immer sauer ist wegen dieser Oben-ohne-Aktion letztenSommer. Sicher denkt er, es geschieht mir recht. Ich fühle mich plötzlich unwohl und stinkig-verschwitzt. Deshalb presse ich die Arme fest an meinen Körper.
»Ich möchte zu Clara«, sage ich.
Er nickt nur und lässt mich vorbei.
Ich sehe, dass er Pantoffeln trägt, genau wie mein Opa. Vielleicht ist er wirklich innerlich schon alt. Sicher ist es nicht einfach, bei den Großeltern aufzuwachsen. Vor allem, wenn dann einer von beiden stirbt und der andere austickt. So wie seine Oma. Die sah anscheinend plötzlich überall Feinde und rutschte irgendwie zurück in ihre Kindheit, hatte Angst, dass Nazis sie holen kommen, oder sogar der Teufel.
»Weißt du, wo Clara ist?«, frage ich Ralf.
Er deutet auf die Küche.
Von dort höre ich Geschirrklappern und Tatjanas Geplapper. Clara hilft ihr anscheinend, die Spülmaschine einzuräumen. Es riecht nach Gemüsesuppe. Hinter mir schlurft Ralf in Richtung seines Zimmers davon. Ich verstehe diesen Typen wirklich überhaupt nicht.
Eine ganze Weile lang beobachte ich Clara durch die Tür, die ein wenig offen steht. Sie scheint mir irgendwie anders heute, fremd. Ich versuche herauszufinden, warum, kann aber nichts entdecken. Tatjana redet über irgendeine ihrer Nichten, die unbedingt Gesang studieren will. Sie ist es auch, die mich bemerkt.
»Hallo Sofie«, sagt sie fröhlich.
Clara zuckt ein klein wenig zusammen, lächelt aber, als sie sich umdreht.
»Hallo«, murmle ich. »Störe ich?«
»Sicher nicht. Möchtest du noch etwas Nachtisch? Ich habe Kartoschka gemacht.«
Und obwohl mir alles Süße heute ja bis zum Hals stehen müsste, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Tatjanas Kartoschka ist einfach superlecker.
Bevor ich antworten kann, hat Tatjana vier dicke Stücke auf einen großen Teller gepackt und drückt ihn mir in die Hand. »Könnt ihr Mädels oben essen und in Ruhe quasseln.«
»Sie möchte so eine Kochsendung anschauen mit einem extra sexy Kochbubi.« Clara lacht und Tatjana gibt ihr einen Klaps mit dem Geschirrhandtuch.
Sie wenigstens ist wie immer, scheint von nichts zu wissen.
In Claras Zimmer stopfe ich Kartoschka in mich rein, Walnüsse knacken zwischen meinen Zähnen. »Also«, sage ich, »es tut mir leid, dass ich gestern so …«
»Schon gut«, meint Clara. »Du stehst wirklich unter einem Riesendruck.«
Irgendwie möchte ich nicht, dass sie denkt, ich rede immer nur von mir, deshalb frage ich zuerst mal nach Tim. »Alles gut mit ihm?«
Ein Strahlen breitet sich auf ihrem Gesicht aus und sie beginnt von ihm zu schwärmen, erzählt, dasser ebenfalls eine Zeit lang Pfadfinder war, dass er gerne in der Natur ist, Berge liebt und sonst noch eine ganze Menge Kram. Wenn sie so weitermacht, komme ich überhaupt nicht mehr zu Wort. Sie isst überhaupt nichts und ich verdrücke alles. Mein Bauch drückt und mir ist ein wenig schlecht.
Plötzlich bricht ihr Redeschwall ab. Sie sieht mich an. »Wo warst du eigentlich heute Vormittag?«, fragt sie.
»Ich konnte einfach nicht …«, sage ich. »Aber ich glaube, ich weiß, wer dahintersteckt.«
Sie sieht mich mit gerunzelter Stirn und
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