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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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erkennen. Und bevor ich nachdenken kann, bin ich auch schon im Gebüsch verschwunden. Sie bemerken mich nicht, sind in ein Gespräch vertieft. Fetzen davon dringen zu mir durch. »… total krank, so was …«, »… weiß nicht, was sie sich davon verspricht …«, »… am ekligsten war das mit der Kacke …«.
    Da weiß ich, dass ich erledigt bin. Dass ich auf keinen Fall weiterhin zur Schule gehen kann. In Romanen oder Filmen hauen sie jetzt immer von zu Hause ab. Währenddessen deckt jemand den Fall auf und alle suchen nach dem Opfer. Dann entschuldigen sie sich und das Opfer wird plötzlich zur Heldin. Wenn ich nur wüsste, wohin ich gehen kann. Ich habe schließlich nicht besonders viel Geld und es wird bald Winter … Vielleicht komme ich ja bis Italien, und dann?
    Mein Kopf tut weh. Ich muss rausfinden, wie warm es jetzt dort ist. Aber es kann mir auch sonst irgendwas Schlimmes passieren, wenn ich am Strand übernachte. Vielleicht würde Clara ja mitkommen? Ich könnte sie einmal fragen.
    Als ich versuche, aus dem Gebüsch rauszukommen, verfängt sich mein Fuß. Ich zerre und merke, dass ich mich im Riemen eines Rucksacks verfangen habe. »Scheiße«, rufe ich und gebe dem Ding einen Tritt.
    »Ich soll dir von meinem Rucksack ausrichten,dass es ihm leidtut«, höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir im Gebüsch.
    Ich zucke zusammen.
    Ein Gesicht erscheint. Der Junge. Der Straßenkünstler.
    Ich erstarre, kann nichts tun, außer ihn anzustarren.
    Sein Haar sieht aus, als müsste es mal wieder gewaschen werden. Komisch, wie einem in einem Moment wie diesem solche Kleinigkeiten auffallen.
    »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe.« Er streckt mir seine Hand hin, die voller Erde ist. Er scheint es erst in diesem Moment zu bemerken, zieht sie zurück und wischt sie an seiner Hose ab.
    »Versteckst du dich?«, fragt er und grinst ein wenig schief.
    Mit einem Mal werde ich wütend. Komischerweise auf ihn, obwohl er mir ja eigentlich nichts getan hat.
    »Das könnte ich dich auch fragen«, zische ich. »Sorry«, murmelt er. »Ich bin Marco. Und du?«
    Ich weiß selbst nicht, warum ich ihm meinen Namen sage.
    »Also, wenn du Hilfe brauchst …«
    »Von dir?« Ich merke selbst, wie arrogant ich klinge.
    Er zuckt die Achseln. »Na dann …« Mit der Hand macht er eine Bewegung, die aussieht, als wolle er mich verscheuchen.
    Ich gehe. Und bin komischerweise ein wenig traurig.
    »Marco, Marco, Marco …«, wiederholt eine Stimme in meinem Kopf immer wieder, bis ich zu Hause bin. Keine Ahnung, warum. Ein ungewaschener Junge, der sich mit Rucksack im Gebüsch versteckt …
    Unsere Nachbarin tratscht mit einer Frau, die ich nicht kenne. Sie hat sich ganz nahe zu ihr hingebeugt. Ob sie auch schon Bescheid weiß? Ob sie auch von mir denkt, dass ich Jungs auf dem Schulklo filme? Wie können sie nur glauben, dass ich so krank bin?
    Ich suche meinen Schlüssel in der Jackentasche. Als ich endlich mit dem Finger an das kalte Metall fasse, fällt er mir aus der Hand. Es dauert eine ganze Weile, bis ich die Tür aufkriege.
    In meinem Zimmer mache ich kein Licht an, setze mich mit meinem Laptop auf den Fußboden vor der Heizung, damit mich von außen niemand sehen kann.
    Mein Facebook-Account ist wieder da. Mit allen Filmen und Fotos. Von den meisten anderen werde ich wild beschimpft. Ich versuche mich einzuloggen. Aber jemand hat das Passwort gewechselt. Mein Account ist nicht mehr meiner.
    Ich sehe zu, wie Marion aus der 11 b postet, ich sollte in die Klapse, und wie ›ich‹ daraufhin antworte, dass sie mir ja sagen könnte, wie es dort sei, sie habe ja Erfahrung.
    Der Laptop gleitet mir von den Beinen, landet unter dem Bett. Ich schaue nicht mehr hin. Immerwenn ein Auto draußen vorbeifährt, kreist ein Lichtkegel in meinem Zimmer.
    Ich kneife die Augen ein wenig zu und denke an unser erstes richtiges Date. David und meins. Julia hatte einen Auftritt.
    Julia lässt sich für den Auftritt ein Bauchnabelpiercing stechen. Ich stehe neben dem Stuhl, sehe die Nadel des Piercers und mir wird beinahe schlecht. Der ganze Tattoo-Piercing-Salon dreht sich mit einem Mal.
    Julia kichert.
    »Schau mal da, die Bilder von den Intimpiercings«, flüstert sie, als wir zum Ausgang gehen.
    Dort hängen Fotos von gepiercten Brustwarzen und sogar eines, das aussieht, als wäre es von einem Penis. Aber das kann doch nicht sein, oder?
    Julia sieht mein Gesicht und lacht meckernd.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wie das wohl ist, mit einem

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