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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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riecht nach Ralf und mir wird ein wenig schlecht. Ich halte die Luft an. Und dann die Nase dicht über den stinkigen Boden. Ich hätte nie gedacht, dass ich das noch einmal gerne riechen würde.
    So liege ich eine ganze Weile da und denke an nichts. Außer daran, nicht zu pinkeln.
    Plötzlich ist da wieder dieser Lichtstrahl. Ich richte mich auf, laufe mit zusammengepressten Knien zur Tür. Klopfe. Rufe. Niemand kommt. Das Licht geht wieder aus.
    Ich schaffe es gerade noch zum Eimer.
    Und auf einmal habe ich Hunger. Ich kaue jedes Semmelstück lange und ausführlich. Irgendwo in einer Zeitschrift habe ich mal gelesen, dass es dann süß schmeckt.
    Der Lichtstrahl ist wieder da. Ralf kommt und hat einen Becher Joghurt dabei. Außerdem ein belegtes Brot. Salami. Ich hasse Salami, wegen den Fettbröckchen.
    Ralf sagt gar nichts, setzt sich einfach nur auf die Matratze neben mich.
    Sie wackelt und sinkt ein wenig ein.
    Dann sieht er mich an. Mit großen, traurigen Augen.
    Ich weiche seinem Blick aus.
    »Wieso hast du das getan, Sofie?«, fragt er.
    Was getan? Mich in David verliebt? Ihn so lange nicht beachtet?
    »Wahrscheinlich liegt es daran, dass deine Eltern dich nie geliebt haben …« Sein Satz hängt in der Luft.
    »Sie waren doch meistens ganz okay«, murmle ich.
    »Du musst doch sicher gemerkt haben, dass eszwischen den beiden nicht die große Liebe ist? Dass deine Mutter deinen Vater unterdrückt.«
    »Ja, also«, sage ich, »es sieht aus, als sei sie die Chefin, aber er macht nichts, was er nicht will.«
    »Sie dachten, sie seien verliebt, und haben dabei deine Schwester gezeugt. Danach wollten sie sich trennen. Da bist du ihnen passiert, Sofie. Du bist ein Unfall, nicht Zeichen ihrer Liebe.«
    Ich schlucke. So habe ich das noch nie gesehen. Gut, ich wusste, dass sie eigentlich nur ein Kind wollten, weil es meiner Mutter in der ersten Schwangerschaft so schlecht ging. Aber sie haben immer gesagt, dass sie sich gefreut haben, dass ich ein Glücksfall war. Ich kenne die Geschichte ziemlich genau. Meine Mutter ging zum Arzt, weil sie ihr Hormonstäbchen erneuern lassen wollte, und da hat dieser festgestellt, dass es bereits zu spät war, dass schon ich entstanden war. Er hat dieses Ultraschallbild gemacht, auf dem ich aussehe wie eine kleine Bohne. Als meine Mutter nach Hause kam, lag mein Vater noch im Bett. Er hat sie zu sich gezogen und gemeinsam haben sie das Bild angeschaut und sich gefreut. Von da an hieß ich »Bohne«, bis sie herausgefunden haben, dass ich ein Mädchen bin und mich Sofie genannt haben. Ich war immer stolz darauf, nicht »Bauchzwerg« geheißen zu haben wie fast alle anderen.
    »Sie hassen dich insgeheim, weil du deiner Mutter die Karriere als Sportlerin endgültig versaut hast.«
    Ich schlucke. Meine Mutter war Profifußballerin. Nach meiner Geburt war sie dann wirklich zu alt und musste auf Lehramt umsatteln.
    »Woher weißt du das eigentlich alles?«, frage ich.
    »Ich habe mich eben immer für dich interessiert.« Wieder diese anklagende Stimme.
    Ich schlinge meine Arme um mich. Mir ist so kalt. Aber es hilft nicht.
    »Na«, sagt er und legt plötzlich seine Hand auf meinen Kopf. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zurückzucke. »Du kannst also gar nicht wissen, was Liebe ist, meine Arme.«
    Er beginnt, meinen Kopf zu streicheln, und ich komme mir vor wie ein Hund, der gekrault wird. Und plötzlich habe ich eine Idee.
    Ich schniefe ein klein wenig, wische mir über die Augen.
    »Es tut mir so leid«, murmle ich.
    Er lehnt sich an mich. Ich muss mich mit der Hand aufstützen, damit ich nicht umkippe. Mein Handgelenk fängt an, ziemlich wehzutun.
    »Mit David ist eigentlich nichts passiert«, sage ich.
    Er fährt hoch. »Lüg nicht. Ich weiß genau, was passiert ist!«
    Ich schlinge die Arme um mich selbst. Vielleicht hat er auch da mit einer Kamera alles beobachtet. Vielleicht hat er auch einen Film, auf dem David und ich nackt sind und ich seinen Schwanz … Ich schlucke.
    »Jungs reden über eine ganze Menge. Zwar nicht mit mir«, er lacht hohl auf, »aber wenn ich dabei bin. Sie bemerken mich nicht einmal. Das ist der Vorteil davon, unsichtbar zu sein!«
    »Aber nicht alles, was sie reden, stimmt doch«, sage ich lahm.
    »Das will ich hoffen«, meint er. »Was hatte ich wochenlang für eine Angst, dass du auch noch ein Kind von ihm bekommst.«
    Er spuckt. Spuckt einfach so vor uns auf den Kellerboden.
    »Ich könnte kotzen!«, sagt er und sieht wirklich ganz grün im Gesicht

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