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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Stehle
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aus.
    »Ich habe nicht mit ihm geschlafen«, sage ich.
    »Was hast du dann gemacht?« Er springt auf und blitzt mich an, sieht plötzlich aus wie ein Dämon aus einem dieser Horrorfilme. »Ihm einen runtergeholt? Einen geblasen?«, schreit er.
    Ich zucke zurück.
    Er kommt auf mich zu, packt mich am Haar und schüttelt heftig.
    Es tut höllisch weh und ich habe das Gefühl, dass er mir ein ganzes Büschel ausreißt. Dann gibt er mir eine Ohrfeige. Es brennt. Und es ist die erste Ohrfeige, die ich in meinem Leben bekomme. So etwas kenne ich nur aus Büchern oder Filmen.
    Dann sinkt er schluchzend vor mir auf die Knie. Legt mir den Kopf auf die Beine.
    Ich würde am liebsten auf ihn einprügeln.
    Aber ich bleibe bewegungslos sitzen, bin wie eingefroren.
    Wie konnte ich nur denken, er würde mir helfen? Er ist einer, der Mädchen schlägt. Ein Irrer, der einen besitzen will. Ein Rattenfänger, der mit Menschen spielt, um sie dann umzubringen.
    Kälte in mir. Eisige Kälte.
    Menschen verhalten sich in Extremsituationen ganz verschieden, hat meine Tante Uschi gesagt, die früher Rettungssanitäterin war. Manche rasten aus und heulen nur noch. Manche schreien im Schock. Andere werden ganz ruhig und handeln wie Marionetten, während sie nicht ganz bei sich sind. Ich gehöre vermutlich zu den Letzteren. Denn ich lege meine Hand auf seinen Kopf und streiche ihm durch sein Haar, das ich vor wenigen Stunden noch schön fand.
    »Es tut mir so leid«, flüstere ich. Und ein wenig stimmt das sogar. Er tut mir leid. Weil er mit sich selbst leben muss, mit all seinen Hirngespinsten.
    »Wir hätten heiraten können und Kinder haben. Wir wären für immer glücklich gewesen«, murmelt er in meinen Schoß.
    Märchen, denke ich. Warum ist er in diesem Märchen gefangen?
    »Wir würden in einem einsamen Haus leben und uns völlig genügen. Unsere Liebe zueinander würde uns erfüllen und wir bräuchten niemanden.«
    Anscheinend weint er, denn mein Schoß wird ganz nass.
    Ich denke daran. An dieses Schloss, das er sich vorstellt. Ein wenig wie der Turm von Rapunzel. Eine Welt, in der es nur ihn gibt. Und eine, in der alles abstirbt, was ich bin und sein könnte.
    »Das hört sich wunderschön an«, sage ich.
    Er schluchzt.
    Ich streichle weiter.
    Clara, ich und eine Weltreise. Wir machen Musik und tanzen abends unter Sternen. Jemand erzählt eine Geschichte aus seinem Leben.
    »Niemand hätte uns mehr verletzen können. Wir wären eins gewesen, du und ich. Ewig in unserer Liebe«, sagt er.
    Auf einer einsamen Insel suchen wir alle zusammen nach einem Schatz, rutschen über Lianen ins Wasser wie Pippi Langstrumpf.
    Ich muss hier raus. Muss sehen, wie mein Leben weitergeht, reisen, lachen, ich selbst sein.
    »Meinst du nicht, du könntest mir irgendwann einmal verzeihen?«, frage ich leise, vorsichtig.
    »Ich weiß es nicht.« Er sieht auf.
    »Bitte«, sage ich.
    »Vielleicht wenn du mich direkt darum bittest. Aber nicht jetzt. Das muss spontan kommen, frei.«
    Ich nicke, setze noch eins drauf. »Das, was du erzählt hast, hat so schön geklungen.«
    Seine Augen werden stechend, bohrend.
    »Ich wünschte, ich könnte dir glauben«, sagt er. »Aber ich tue es nicht.«
    »Bitte verzeih mir.«
    Er richtet sich auf, springt hoch und steht dann vor mir, sieht mich von oben herab an.
    »Noch ist mein Plan nicht zu Ende. Noch bin ich nicht fertig. Du musst noch ein wenig mehr leiden, ein wenig mehr büßen dafür, wie du mich verletzt hast, wie weh du mir getan hast.« Er klingt wie ein Hohepriester, der von einer Kanzel herunterdonnert. »Gute Nacht. Schlaf gut!«
    »Aber du kannst doch nicht …«, sage ich und merke, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt fest geglaubt habe, dass er mich freilässt. Dass er mich nicht über Nacht hier sitzen lässt.
    »Teil dir die Kerze gut ein«, sagt er und wirft mir etwas zu. »Hier sind noch mehr Streichhölzer. Falls du auf dumme Ideen kommen solltest, wirst du dich nur selbst abfackeln.«
    Das Päckchen knallt neben mir auf den Steinboden. Die Kerze flackert.
    »Obwohl, eigentlich«, er dreht sich noch einmal auf dem Absatz um, »eigentlich würde das ja nicht schlecht passen, nach dem, was du gerade eben getan hast.«
    »Aber ich war doch hier …«, fange ich an und er unterbricht mich.
    »Wieder eine dieser Aktionen, an die du dich scheinbar nicht erinnerst, genau wie an die geposteten Filme. Du brauchst wirklich Hilfe!«
    Ich habe keine Ahnung, wie lange eine so dicke Kerze wohl brennt. Aber ich kann auf

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