Pasta Mortale
Fast-Stiefmutter erfreut aus,
sie hatte die junge Frau richtig ins Herz geschlossen. »Schön, wieder einmal
etwas von dir zu hören. Wir überlegen, ob wir nicht im Oktober ein paar Tage zu
euch kommen sollen. Ich wollte immer schon ein Original-Törgellen mitmachen.«
»Das wäre sehr schön«, freute sich Silvana, »das solltet ihr
unbedingt tun. Heute rufe ich aber aus einem ganz anderen Grund an. Es ist
etwas passiert, das ich Mario, natürlich auch dir und meinen Geschwistern
sofort mitteilen wollte.«
Als lebenspraktische Frau mit doch schon einiger Erfahrung
konnte das für Wilma lediglich eines bedeuten. Silvana war …
»Ich bin schwanger«, kam ihr die werdende Mama zuvor,
»endlich hat es geklappt. Wir sind so glücklich.«
Da sie dies geahnt hatte, war Wilma nicht sprachlos. Sie
benötigte aber doch mehrere Sekunden, ehe sie ihr »Wunderbar, meine, unsere
herzlichen Glückwünsche. Da wird sich der junge Großvater aber freuen.«
»Wo treibt sich Mario denn herum?«, wollte Silvana wissen.
»Ich habe den ganzen Nachmittag versucht, ihn zu erreichen. Aber ohne Erfolg.«
»Möglich, dass der Akku seines Telefons spinnt«, mutmaßte
Wilma, obwohl sie es besser wusste. Dieses Ignorieren von eingehenden Anrufen
war typisch für das eigenartige Verhalten Palinskis in den letzten Monaten.
Ganz so, als ob ihm alles mehr oder weniger egal wäre. Aber damit musste sie ja
die werdende Mutter nicht belasten. »Wann ist denn der Geburtstermin?«
»Gleich zu Beginn des neuen Jahres«, frohlockte Silvana, »so
um den 7. Jänner herum. Gib Vater einen Kuss von mir, er soll sich mal melden.
Und lass Tina und Harry schön grüßen.«
Und das war’s dann auch gewesen. Wilma überlegte,
ob sie dem frischgebackenen zukünftigen Großvater die gute Nachricht gleich
verkünden sollte. Ein Blick auf die Uhr ließ sie aber die Sache auf später
verschieben. Das hatte auch den Vorteil, dass sie Palinski notfalls Erste Hilfe
leisten konnte, falls ihn die Nachricht ein wenig aus den Socken werfen sollte.
Man konnte ja nie wissen, wie sich die plötzliche Aussicht auf Großvaterschaft
auf sein ohnehin sehr sensibles Nervenkostüm auswirken würde.
Wie hieß das verdammte Thema noch, zu dem jetzt kluge
Wortspenden von ihr erwartet wurden? Ihr war im Moment so gar nicht nach
Diskutieren. Ein Glas Champagner oder zumindest Prosecco würde ihrer
derzeitigen Stimmungslage viel eher entsprechen. Stief-Großmutter, das war doch
etwas.
*
In der Zwischenzeit beschäftigten den Opa in spe
völlig andere Probleme. Nachdem sich der erste Schock über die Nachricht von
Valerias Verhaftung etwas gelegt und die Anwesenden wieder zu denken begonnen
hatten, waren sich alle einig. Valeria musste geholfen werden und damit auch
der Döblinger Fledermaus.
Und zwar in dieser Reihenfolge und nur in dieser Reihenfolge.
Palinski traute sich dank seiner guten Kontakte zum Innenminister zu, Valeria
für die Dauer der insgesamt sechs Fledermaus-Aufführungen freizubekommen. Aber
darum ging es nicht, konnte es nicht gehen. »Stellt euch vor, es gelingt uns,
sie aus der Schubhaft zu holen, und sie erfährt, dass wir das nur wegen der
Aufführungen getan haben. Und nach ihrem letzten Auftritt heißt es dann wieder:
›Ab in den Häfn‹. Oder sie lassen Valeria überhaupt nur zu den Vorstellungen
frei. Und hinter den Kulissen wartet ein Polizist und führt sie nach dem
letzten Applaus wieder ab.« Er schüttelte angewidert den Kopf. »Nein, so nicht.
Was für ein entsetzlicher, unzumutbarer Gedanke.«
»Aber wenn nur eine befristete Freisetzung möglich wäre?«,
warf der alte Otto Köfler ein, die Zweitbesetzung des Frosch. »Das ist doch
auch für sie besser, als die ganze Zeit die Wände ihrer Zelle anzustarren. Und
für uns ist es auch besser.«
Helmut Ondrasek blickte Köfler nachdenklich an, dann wieder
Palinski fragend, dann wieder zu dem ehemaligen Kabarettisten. »So schwer es
mir auch fällt, Otto«, seufzte er, »wegen der Fledermaus. Aber Mario hat schon
recht, bei der Sache geht es um mehr, um viel mehr als nur um eine einigermaßen
gelungene Vorstellung. Da geht es um unsere Freundin und wie man mit ihren
Rechten umgeht.« Je länger der Prinzipal sprach, desto sicherer wurde er. »Dann
spielen wir eben eine weniger gute Operette oder gar keine. Vor allem aber
erzählen wir der Presse und dem Fernsehen, warum das Beste, das wir geben
konnten, nicht wirklich unser Bestes
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