Pasta Mortale
zweite Besetzung aus altem Hofadel zur
Verfügung, aber …
Na ja, Valerie würde schon noch kommen.
Hoffentlich! Vielleicht war ja irgendetwas mit Natascha gewesen, das sie
aufgehalten hatte. Bei kleinen Kindern konnte man ja nie wissen.
»Soll ich vielleicht zu ihrer Wohnung fahren und
nachsehen?«, bot Karl Winterberg an, der sowohl stimmgewaltige als auch
wohlbeleibte Eisenstein der Inszenierung. Ein gut verdienender
Versicherungsmakler, der schon zweimal den zweiten Platz bei der
Karaoke-Europameisterschaft in der klassischen Musik belegt hatte.
Da Palinskis
Handy genau in diesem Moment mit seinem unverwechselbaren polyfonen Zirpen
begann, das angeblich an die Arie der Königin der Nacht erinnern sollte, ein
Bezug, den Mario bisher noch nie hatte nachvollziehen können, bekam er Helmut
Ondraseks Antwort darauf nicht mit.
*
Also Kandidat für irgendeinen Filmpreis war das
Videomaterial aus der Überwachungskamera des ›Desirée‹ wahrhaftig nicht. Wie
Palinski da die Backerbsen beäugte, dann lieblos in dem aufgemascherlten
Salatbuffet herumstocherte und anschließend beim Fleischgang demonstrativ seine
falschen Zähne herausgenommen hatte … Nein, das war jetzt ein kleiner
zynischer Spaß, den sich Franka erlaubt hatte. Mario war noch zu jung für
falsche Zähne, obwohl man das nie so genau wissen konnte. Aber sie war sicher,
dass er genau der Typ Spaßvogel war, der bei entsprechenden Voraussetzungen in
so einer Situation auch nicht zögern würde, seine falschen Beißerchen stolz zu
präsentieren.
Dann wurde es langsam spannender: die Bestellung
offenbar des Nachtischs, der Abgang Palinskis sowie der Dame vom dritten Tisch
links und das einsame, zu dem Zeitpunkt noch lebende Opfer, das mit gierigen
Blicken das Terrain sondierte. Dann einige Minuten gepflegter Langeweile, bis
der Ober wiederkehrte und auf Palinskis Platz einen Teller mit den besagten
Nudeln und ein Glas Wein platzierte. Und danach einen weiteren Teller mit der
Kärntner Spezialität vor dem einzig vorhandenen, noch sehr lebendigen Gast
abstellte.
Die hatten es aber gut mit Mario gemeint, fand Franka, auf
dem für den Freund bestimmten Teller gab es erkennbar mehr Nudeln als auf dem
anderen.
Plötzlich betrat ein neuer Mitspieler das Feld. Kleiner,
gedrungener als der Ober, aber ebenso gekleidet. Und sehr geschickt, wie er
sein Gesicht jederzeit gegen die Kamera abschirmte. Was machte er da? Ja, gab
es denn so etwas? So eine Frechheit, nein, das war eine Chuzpe! Und schon war
er wieder weg, der kleine Zuckerer.
Und was sollte das jetzt? Gott, das durfte doch nicht wahr
sein. Gleichermaßen entgeistert wie auch fasziniert verfolgten die beiden
Kriminalbeamten das Geschehen auf dem Monitor.
Das musste Palinski so rasch wie möglich wissen,
fuhr es Franka Wallner durch den Kopf. Sie holte ihr Handy heraus und tippte
ungeduldig die Nummer des Freundes ein.
*
Wilma
Bachler hatte viel Freude an ihrem neuen Leben. An der Politik auf Bezirksebene
fand sie Spaß, auch wenn es gewöhnungsbedürftig war, dass sie plötzlich von
jedem zweiten Menschen auf der Straße begrüßt wurde. Und jeder Dritte wollte
ein Gespräch mit der attraktiven Frau Bezirksrätin beginnen. Das bedeutete
jedes Mal eine Gratwanderung zwischen zeitökonomischen und Image bildenden
Maßnahmen. Bisher hatte sie diese Klippen aber alle recht gut umschifft, beide
Gesichtspunkte einigermaßen unter einen Hut gebracht und fühlte sich
ausgezeichnet dabei.
Natürlich würde sich im Herbst noch zeigen müssen, wie sich
der politische Job mit ihren Aufgaben als Direktorin einer AHS verbinden lassen würde.
Aber das war sicher nur eine Frage geschickten Zeitmanagements. Die Gefahr,
dass die Familie unter zwei Berufen litt, war zwar theoretisch gegeben, in der
Praxis aber kaum zu befürchten. Denn schlimmer, als es derzeit war, konnte es
kaum noch werden. Die Kinder waren erwachsen und gingen längst ihrer eigenen
Wege. Und Mario, der immer schon mehr oder weniger getan hatte, was er wollte,
hatte sich in den letzten Monaten noch mehr von der Familie entfernt. Er
agierte selbstherrlich, eingebildet und liebte offenbar nur mehr eine Person wirklich:
sich selbst. Dazu war seit einigen Wochen auch noch wachsendes Selbstmitleid
gekommen, das den Umgang mit diesem Menschen, den sie einst …, na ja,
eigentlich noch immer liebte, schon sehr schwer machte. Wenn sie bloß wüsste,
was in dem unmöglichen
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