Pasta Mortale
und sich der herrlichen Pasta auf den Tellern vor ihnen widmeten.
»Madonna mia«, Maria Bertollini hatte sie entdeckt
und stürmte förmlich auf sie zu. »Signora Mario, welcke Freud, anchora una
volta in unsere Ristorante.« Die ältere Frau umarmte Wilma förmlich und schien
sogar einige Tränen in den Augen zu haben. »So lange nickt gesehen. Wo isse Mario, meine liebe Mario? Isse
malade, come si dice, krange?«
Wilma kam es vor, als hätte sie einen Knödel im
Hals stecken. Was sollte sie dieser lieben alten Frau jetzt sagen? Sollte sie
lügen und Maria in falschen Hoffnungen wiegen oder sollte sie ihr brutal die
Wahrheit über den ›lieben Mario‹ stecken? Dio mio, war der Kerl manchmal
unmöglich.
»Ciao Bella«, Frankas Hilfe kam in letzter Sekunde. »Du wirst
es wahrscheinlich nicht wissen, aber dein Göttergatte oder was immer er für
dich auch sein mag, wird in Kürze hier eintreffen. Oder eine halbe Stunde
später mit der Polizei vorgeführt werden.«
Sie lachte Wilma ins ungläubig blickende Gesicht.
»Komm, mach den Mund zu und setz dich zu uns. Die Spaghetti alla puttanesca
sind einsame Spitze. Und erst der Barolo. Nimm ein Glas, du wirst es brauchen.«
Sie deutete auf ihren Stellvertreter. Ȇbrigens, Markus Heidenreich, Wilma
Bachler.«
*
Der sehnlich, wenn auch aus unterschiedlichsten
Motiven, erwartete Palinski hatte in der Zwischenzeit ebenfalls den Innenhof
des Hauses erreicht, in dem sich sowohl das ›Institut für Krimiliteranalogie‹
als auch die Bachler’sche Wohnung befand. Es war zwar schon kurz nach 22 Uhr,
aber er hatte noch ein wichtiges Telefonat zu erledigen. Vor allem aber reizte
es ihn ein wenig, zu sehen, ob Franka Wallner ihre Warnung tatsächlich wahr
machen und ihn mit der Polizei suchen lassen würde.
Er nahm auf der Bank im Innenhof Platz, auf der
vor etwa drei Jahren alles begonnen hatte. Das war genau der Platz, auf dem die
Leiche Jürgen Lettenbergs gelegen und ihn damit aus den hehren Höhen der
Kriminologie in die heimtückischen Tiefen der praktischen Kriminalarbeit geholt
hatte.
Endlich, nach dem dritten Versuch, Ministerialrat
Dr. Miki Schneckenburger zu erreichen, klappte es.
»Hallo, wer stört?«, die Stimme des alten Freundes klang
verschlafen, dabei war es höchste Zeit.
»Was ist los mit dir?«, Palinski lachte leise, »bist du beim
Fernsehen eingeschlafen?«
»Tja, das stimmt«, räumte Miki ein. »Moni und der Kleine sind
seit vorgestern bei den Schwiegereltern. Ich habe letzte Nacht schlecht
geschlafen und muss jetzt wohl eingenickt sein. Was ist los, was kann ich für
dich tun?«
»Ich habe den ganzen Abend versucht, deinen obersten Chef zu
erreichen«, erklärte Palinski. »Ich habe ein Riesenproblem und muss morgen früh
unbedingt mit ihm sprechen.«
»Ja, der Herr und Meister ist heute mit seinem bul-
garischen Kollegen und den Damen in der Oper. Hoffmanns Erzählungen mit der
Stranzi und dem Oliveiro, keine schlechte Besetzung, aber er soll indisponiert
sein«, klärte ihn der Ministerialrat auf.
»Das ist ja hochinteressant«, antwortete Palinski, der den
zynischen Tonfall gar nicht beabsichtigt hatte. »Was mich aber vor allem
interessiert, ist, kann ich morgen um, sagen wir 7.30 Uhr, bei euch im Amt
sein?«
»7 Uhr wäre besser, weil der Chef bereits um 7.45 Uhr
weg muss«, widersprach Schneckenburger. »Ich denke, zehn Minuten müssten da für
dich drin sein. Worum geht es denn überhaupt? Vielleicht kann ich ja etwas
vorbereiten?«
Palinski erläuterte dem Freund kurz das Wesentliche seines
Anliegens. Dabei legte er großen Wert darauf, festzustellen, dass es ihm nicht
darum ging, Frau Modrianow für sechs Festspieltermine freizubekommen, sondern
um die Rückgängigmachung dieser unsinnigen, ja menschenrechtswidrigen
Verhaftung. »Hast du ganz vergessen, was sie dir an der Uni ab dem ersten
Semester einbläuen? Dass Verhaftungen nur durch einen Richter, natürlich auch
durch eine Richterin verhängt werden können. Ich weiß wirklich nicht, was ihr
da für einen Scheiß im Asyl- und Fremdenrecht zusammendreht.«
»Ja, ja, wem sagst du das?«, Schneckenburger war durch die
harsche Anklage nicht aus der Ruhe zu bringen gewesen. »Das Gesetz ist der
beste Beweis dafür, dass zwischen gesetzmäßig und gerecht ein himmelhoher
Unterschied bestehen kann. Aber was willst du eigentlich? Dieses Gesetz ist mit
einer deutlichen Mehrheit angenommen worden. Und das machen sich jetzt
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